Alles was bleibt…

Gastbeitrag von Dr. Lothar Drese, Wettenberg

Die Ur-Hoffnung ist tief in uns vergraben. Es ist keine akute Hoffnung, an die wir täglich denken, aber jeder hat sie in sich. Das ist auch gut so! Was wäre das für ein Leben, wenn wir sekündlich an all das Schlimme denken würden, was jederzeit passieren könnte?
Gleichzeitig ist aber auch absolut lebensnotwendig, dass diese Ur-Hoffnung überhaupt existiert.
Das Leben besteht aus einem kontinuierlichen Wechsel von Höhen und Tiefen… die Höhen genießen wir und die Tiefen meistern wir immer durch die Gewissheit der baldigen Besserung, während der selbstverständliche Alltag weiterläuft.

Doch was, wenn die Selbstverständlichkeit wegbricht?
Was, wenn wir ein schreckliches Unglück, eine Tragödie verarbeiten müssen?
Wie oft denken wir „Mir geschieht so etwas nicht!“ oder „Das würde ich niemals tun!“?
Aber das Leben ist unvorhersehbar und vor manchen Dingen ist niemand sicher.
Alles kann geschehen, auch Dinge, die man sich niemals hätte vorstellen können.
Und dann kann ein Tief des Lebens sehr ausgeprägt sein und vor allem auch ziemlich lang andauern.
Oben erwähnte Überwindung durch Gewissheit der baldigen Besserung meistern wir über kurze Zeiträume.
Vor allem betrifft dies zumeist Situationen, in denen wir steuernd agieren können.
Gravierende Schicksalsschläge versetzen unsere Seele jedoch zunächst in einen emotionalen Schockzustand, deren Rehabilitation zum einen über einen langen Zeitraum geschieht und dessen Ende zum anderen nicht absehbar ist. Hinzukommt, dass wir diese Gegebenheiten meist hinnehmen und aushalten müssen, ohne aktiv für Änderung sorgen zu können.

Unabhängig davon, was der Auslöser ist oder wie es dazu gekommen ist, muss ein einschneidendes Erlebnis verarbeitet werden. Hierzu führt Elisabeth Kübler-Ross fünf Phasen der Bewältigung auf
(die nicht immer und nicht immer in dieser Reihenfolge oder auch wiederholt wechselnd auftreten können):

Leugnen
Die Phase des Schocks! Emotionen brechen über einen herein, die man vorher in dieser Ausprägung nicht kannte. Alles erscheint wie in einem Nebel, in einer Trance… „Es kann nicht wahr sein!“

Zorn
Schuldige werden gesucht, da man sich nie allein verantwortlich fühlen möchte… „Wer hat mir das angetan?“… „Warum wird ausgerechnet mir das angetan?“

Verhandeln
Phase der Hilflosigkeit und Verzweiflung… vielleicht die schwierigste Zeit. Man fängt an, die Situation zu realisieren und möchte sie nun ändern. Das sich dann einstellende Gefühl bei seinen Versuchen der Steuerung keinen Einfluss zu haben, also das Gefühl der Ohnmacht, ist kaum zu ertragen… „Wie kann ich es wieder gut machen?“… „Wie komme ich hier heraus?“

Depression
Eingeständnis… „Ich kann es nicht abwenden.“… Man ergibt sich dem Zustand und beginnt auszuhalten. Häufig brechen in dieser Zeit depressive Phasen über Momente der Stärke hinein und erschüttern die innere Stabilität. Die Ur-Hoffnung wird nun auf ihre Robustheit überprüft und es kostet unglaublich viel Energie, diesen Verlauf zu überstehen.

Akzeptanz
Annahme der neuen Situation, eventuell die Einsicht, dass das Leben ab jetzt nicht mehr dasselbe ist wie vorher. Man entwickelt neuen Selbst- und Weltbezug und steht wieder auf… „Das Leben geht weiter“…

Die feste Überzeugung, dass sich auch in Phasen der tiefsten seelischen Betäubung alles zum Guten wenden wird… alles was bleiben muss… Hoffnung…

Schafe streicheln als Gutes für die Seele

oder: …streichelt auch unsere Seele?

Mal ein Schaf streicheln

Auch das kann gut für unsere Seele sein. Ich möchte sogar behaupten, dass diese Berührung positive Gefühle und Gedanken beflügelt.

In Frankenbach zwischen Sportplatz und Busparkplatz standen diese kuscheligen Tiere auf einer Wiese. Als wir davor parkten um unseren wunderschönen Rundweg am Dünsbergsgrund zu wandern, sahen einige Schafe auf und ein Schaf kam sogar so nah, dass ich es streicheln konnte. Was für ein schönes Gefühl den Kopf dieses Tieres zu berühren und zu erleben, dass auch das Schaf das Streicheln zu genießen schien. Diese weiche Wolle zu fühlen und dieses tierische Vertrauen zu erfahren, erfüllte mich mit Freude. Ich erwartete nur noch, dass das Schaf schnurren würde wie eine Katze. Ob Schafe wie Katzen Namen haben? Fragte ich mich.

Mein Kuschel-Schaf taufte ich Bella, die Schöne mit ihren sanften Augen der weichen Schnauze und der dicken Wolle. Auch wenn es kälter werden würde, Bella würde nicht frieren und die Wiese sah noch so schön grün aus, Bella und ihre Artgenossinnen und Artgenossen würden nicht hungern.

Sie strahlten Ruhe und Zufriedenheit aus.

Für mich war Bella eine gute Gelegenheit, um meine Achtsamkeit und Aufmerksamkeit zu fördern. Dieser Moment des bewussten Empfindens, sich auf etwas einzulassen, das im Alltagsleben sonst untergeht, wird in der Achtsamkeitsforschung als Balsam für die Seele bezeichnet.

Wir hätten auch einfach unsere Wanderung mit der lapidaren Wahrnehmung beginnen können: Aha, da sind ein paar Schafe auf der Wiese, die man nicht weiter beachten muss. Dann wären mir dieses positive Erlebnis und dieses positive Gefühl entgangen. Aber wir Menschen brauchen positive Gefühle und Erlebnisse und sollten uns bewusst machen, dass es manchmal ganz einfach ist, sich diese angenehmen Emotionen zu beschaffen.

Auch das Bäume-Umarmen, das belächelt wird, gehört dazu. Wie fühlt sich die Rinde an? Und wenn ich mein Ohr an den Baum drücke, was höre ich dann? Und welche Gefühle und Ideen verbinde ich mit einem Baum, der sonst einfach nur so dagestanden hätte.

Und noch etwas: Schafe sind keine dummen Tiere. Sie können sich sogar Namen merken, habe ich im Internet gelesen. Dass sie auch sehr pfiffig sein können, weiß ich nachdem ich mit meinen Enkelsöhnen mit großem Vergnügen die Filme von Shaun das Schaf gesehen habe. Für verregnete Wochenend-Herbstnachmittage ist Shaun auch für Erwachsene etwas zum Aufheitern.

Quellen:
Fotos: Uschi Hohenbild
, Christoph Haus