Die Biebertaler Blutegelzucht, 2. Teil

Die Egel schlängeln sich zur Eiablage an den schrägen Beckenrand bis uner die blauen Kisten. Dort können die Eier an der Unterseite “geerntet” und in entsprechende Anzuchtgefäße gesetzt werden.

Aus dem Leben eines Egels: Wenn man ihnen zuguckt, sieht man, dass sie wie Delphine schwimmen. Sie sind ausgewachsen etwa 15cm lang, aber man hatte auch schon mal einen von 25cm Länge. Auf der Oberfläche befinden sich mehrere meist orangefarbene Streifen mit vielen Punkten. Auch grün klommt vor, recht hübsch.  Vermutlich entspricht diese Zeichnung unserem Fingerabdruck, das heißt, bei jedem Egel ist sie unterschiedlich.  In den Becken können sie 20 Jahre alt werden. Verwandte von ihnen, die  wir am besten kennen, sind die Regenwürmer. Wie diese bestehen sie aus Muskeln und Darmschlauch. Ein zentrales Gehirn haben sie nicht, ihre Sensoren liegen an verschiedenen Stellen, z.B. auf der Lippe. Sie sind nicht schmerzempfindlich. Auf Wasserbewegung und Klopfgeräusche reagieren sie sowie auf Gerüche. Sie haben 5 Augenpaare, die Ocellen, und können mit ihnen hell-dunkel unterscheiden.

Die Egel können es bis zu zwei Jahren ohne Nahrung aushalten. Die körpereigenen Gerinnungshemmer sorgen dafür, dass das aufgenommene Blut nicht gerinnt. Sonst würde der Egel unbeweglich. In der Aufzucht werden die Egel allerdings alle paar Monate gefüttert. Egel sind Zwitter. Sie begatten sich gegenseitig und jedes Tier legt einen Kokon ab, vorzugsweise ab August bis Oktober. Jeder Kokon enthält 10-15 Eier, aus denen nach 4-6 Wochen die jungen Tiere schlüpfen.

Mittlerweile waren alle neugierig auf die Tierchen. das foto rechts zeigt eine Umwälzpumpe

Sie wiegen anfangs nur 1g. nach der ersten Mahlzeit erhöht sich ihr Gewicht auf 9-10g, um innerhalb von zwei Tagen schon wieder auf 7g zu sinken, denn die Egel schwitzen erheblich. Das Gewicht sinkt fast wieder bis zum Ausgangswert, nur ½ Gramm mehr kommt hinzu. Ein Egel, der 20 Jahre alt wird, frisst natürlich des Öfteren und wächst auch. Das Medizinprodukt darf jedoch aus hygienischen Gründen nur einmal verwendet werden. Egel, die ihre Arbeit erledigt haben, kommen ins “Spa” in zwei Fischteiche im Krofdorfer Forst.

  • – Es gibt ca 600 Blutegelarten weltweit
    – Ca 15 Arten werden weltweit in der Heilkunde eingesetzt
    – 3 Arten befinden sich hier vor Ort:
    Hirudo verbana
    – Hirudo medicinalis
    – Hirudo orientalis

    – bbez verkauft Hirudo verbana als Arzneimittel

Es gibt ca. 600 verschiedene Egelarten weltweit. In der bbez verwendet man vorzugsweise Hirundo verbana, den ungarischen Egel. Er wird in der Donau und in der Save gefangen und kommt erstmal in Quarantäne. Mit den Tieren aus eigener Vermehrung kommt er nicht in Berührung. In den Wasserbecken wird das Wasser über Umwälzpumpen mit Filtern gereinigt. Die Becken sind wunderschön mit Seerosen bepflanzt (Winter?). die Pflege wird nur von Frauen vorgenommen, die gefühlvoller mit ihnen umgehen als Männer.

Wer sind die Abnehmer der Egel?
Die bbez darf nicht direkt an den Endkunden vermarkten. Der Versand geht an Ärzte, Tierärzte Heilpraktiker weltweit. Außerdem werden Apotheken beliefert, die sich auf Online-Versand eingestellt haben. In Biebertal ist das die Apotheke am Schindwasen.

Ein hoher Bedarf an Egeln besteht im Leistungssport sowie nach schweren Verletzungen

analgetisch = schmerzlindernd; antiinflammatorisch = entzündungshemmend; vasoaktiv = (Blut)Gefäße beeinflussend ; Antikoagulatorisch = gerinnungshemmend; Thrombozytenaggregationshemmer = “Blutverdünner”; Lysierend= Zellwand wird leichter durchdrungen

Für weitere Informationen über die Biebertaler Blutegelzucht siehe: blutegel.de Startseitenmeldungen: Neue Teiche werden bezogen

Fotos: Eveline Renell

Die Biebertaler Blutegelzucht – bbez, 1. Teil

Dieses schöne Bild wurde von Kunststudenten entworfen, um die Egel positiv darzustellen.

Am 16. Mai konnte ich auf Einladung des Gewerbevereins an der Besichtigung der bbez Teil nehmen.
Um es vorweg zu sagen: Was anfangs nicht nur bei mir mit leichtem Ekelgefühl besetzt war, hat sich durch die liebevolle Schilderung, mit der Herr Galatis seine Schutzbefohlenen beschrieb, in großes Interesse verwandelt.Dieses

Bis in die 80er jahre war hier die Gärtnerei Wollnich, die jetzt gemeinsam mit Samer das Bestattungsunternehmen hat. Familie Wollnich gab die Zierpflanzengärtnerei wegen der hohen Energiekosten auf.  Die ZAUG übernahm den Betrieb als Blutegelzucht. Diese entstand 1989 aus der Idee, dass man anhand eines Produktes, das sensibel auf seine Handhabung reagiert, beruflich schwer integrierbare Menschen in Schlüsselqualifikationen ausbilden kann. Zudem war der Blutegel zu dieser Zeit ein Produkt, von dem nicht die Gefahr ausging, einem Wirtschaftsbetrieb Konkurrenz zu machen, wenn er in einem sozialen Projekt mit öffentlicher Förderung entstand. Vorausgegangen war ein kleiner Teich am Ende des Gewächshauses. Frau Wollnich brachte Egel aus ihrer Behandlung gegen Rheuma in Bad Endbach mit. Dort wurden sie aus der Türkei importiert, standen aber nur im Sommer zur Verfügung.

Anfangs wurden pro Jahr etwa 5000 Egel verkauft. Schnell war klar, dass gleichzeitig Therapeuten ausgebildet werden mussten. Die ersten Seminare gab es 1992. 2022 nahmen etwa  400 Leute an ihnen Teil. „Blutegel sind Arzneimittel“. Sie waren aber nicht als solche zugelassen. Als Ausnahme durften sie dennoch weiterverkauft werden, obwohl die üblichen, wiederholbaren  Arzneimittelprüfungen an ihnen  nicht durchgeführt werden können.

Mit steigendem Umsatz und Prüfungen durch die entsprechenden Einrichtungen des Bundesgesundheitsministeriums war klar, dass die bbez nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werden musste. Die Zaug verabschiedete sich, und das Unternehmen wurde zur GmbH mit drei Gesellschaftern. Herr Galatis ist einer von ihnen.
Die bbez nennt  sich zwar Zucht, obwohl sie tatsächlich nicht züchtet sondern nur vermehrt. Man kann die Tiere der bbze allerdings an ihrem mikrobiologischen Fußabtritt erkennen. Die Egel stehen unter dem Schutz des Washingtoner Artenschutzabkommens. Für den Verkauf sind CITES-Papiere notwendig.*1)

-1990 entstanden aus einem Projekt der ZAUG
-seit 2004 Erlaubnis zur Herstellung von Blutegeln als Arzneimitttel
-Privatisierung und Gründung der Biebertaler Blutegelzucht
-Mitarbeiter insgesamt: 40
-Grundstücksfläche 6012 m²
-Eigene Vermehrung und Zucht, Handel und Forschung
-Zertifizierung nach GMP *2) und ISO 2009:2015
-Schulung von Fachpersonal (2022 rund 380 Personen)

*1) Magazin/Cites-und-EU-Bescheinigungen, was steht drin?

*2) GMP =Good Manufacturing Practise = Gute Herstellungspraxis (bei Arznei- und Futtermitteln)

*3) ISO Internationale Standardisierungs Organisation (seit 1987)

Teil 2 behandelt “Aus dem Leben eines Egels”

FFH in Biebertal

Nein, hier ist nicht der Rundfunk gemeint.

Werfen Sie bitte einen Blick auf die oben abgebildete Karte. Die grün markierten Stellen sind Gebiete in Biebertal, die als FFH = Flora-Fauna-Habitat ausgewiesen sind.
Im Wesentlichen sind die Gebiete entlang der Bieber von der Quelle hinter den Lindenhöfen (Strupbach) bis hinter der Amtmannsmühle sowie der Dünsbergbach (westlich vom Dünsberg eingezeichnet). Außerdem gehören Wald und landwirtschaftliche Flächen  zwischen Rodheim und Königsberg dazu.

Was ist ein Flora-Fauna-Habitat?

Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie hat zum Ziel, wildlebende Arten, deren Lebensräume und die europaweite Vernetzung dieser Lebensräume zu sichern und zu schützen. Die Vernetzung dient der Bewahrung, Wieder-herstellung und Entwicklung ökologischer Wechselbeziehungen sowie der Förderung natürlicher Ausbreitungs- und Wiederbesiedlungsprozesse. Sie ist eine Naturschutz-Richtlinie der Europäischen Union aus dem Jahre 2000.

Schautafel am Parkplatz gegenüber der Obermühle, hier beginnt der Wanderweg durch den Dünsberggrund

Auf weiteren Schildern wird die Umgebung vorgestellt z. B. die Brunnenanlage an der Obermühle, sonstige Sehenswürdigkeiten der Umgebung oder der Wald mit nachhaltiger Forstwirtschaft.

Film einbetten

Man sieht das klare Wasser, in dem das bis zu 30cm lange, Bleistift dicke Bachneunauge und die 18cm lange Groppe zu Hause sind. Am Ufer wiegen sich Buschwindröschen und Gelbes Windröschen im Wind.
Im Film sieht man noch vereinzelt Verbauungen. Im Wesentlichen ist der Bach aber renaturiert.
“Die Landesregierung Hessen hat das Programm „100 Wilde Bäche“ beschlossen. In diesem Programm ist auch die Bieber zwischen Biebertal und Heuchelheim dafür vorgesehen, wieder in einen natürlichen Zustand versetzt zu werden”. (GAZ Jan. 2020, pm)

Kleine Knüppelbrücke über den Dünsbergbach
Selten hat das Gelbe Windröschen drei Blütenstängel. Auf diesem Weg findet man auch die Varianten mit 1 und 2 Stängeln

Das Gelbe Windröschen (Anemone ranunculoides, Ranunculaceae) ist genau wie die Frühlingsplatterbse (Lathyrus vernus, Fabaceae) auch in Biebertaler Gärten gern gesehen.

Frühlingsplatterbse

Unterwegs treffen wir einen Botanik-Studenten aus Göttingen, der sich in seiner Bachelor-Arbeit mit Moosen auf Kalk befasst. Er ist extra dafür in das Biebertaler FFH gekommen und will bis zum Eberstein wandern. Er zeigt uns diese ausdrucksvolle Hundsflechte.

Hundsflechte

Wir waren am Ostermontag nur eine kurze Strecke unterwegs, dennoch dauerte der Spaziergang recht lange und wir haben einiges erlebt.
Für mich persönlich handelt es sich beim Dünsberggrund um eines der schönsten Wandergebiete in Biebertal. Schutz und Pflege der FFH-Gebiete sind dem Anliegen nach mehr Tourismus in unserer Gemeinde sicher sehr förderlich.

Typisches Dünsberggestein
Mikrokosmos Baumstumpf

http://www.fauna-flora-habitatrichtlinie.de/

https://de.wikipedia.org/wiki/Bieber_(Lahn)#Verlauf

https://rp-giessen.hessen.de/sites/rp-giessen.hessen.de/files/content-downloads/Artensteckbrief%20Bachneunauge.pdf

Zu den baurechtlichen und finanziellen Auswirkungen von FFH-Gebieten siehe https://opus-hslb.bsz-bw.de/frontdoor/deliver/index/docId/111/file/Trost_Susanne.pdf

Fotos. Eveline Renell und Winfried Senger, Film Winfried Senger