Vor 60 Jahren wurde ich im März 1963 am Palmsonntag konfirmiert. Nach einem langen, harten Winter konnten wir endlich um den 10.März die ersten Schneeglöckchen pflücken, die mit Buchs von der Gärtnersfrau zu kleinen Sträußchen gebunden wurden. Konfirmation am Palmsonntag war damals üblich. Mit der Konfirmation werden die jungen Menschen als vollwertige Mitglieder in die Kirchengemeinde aufgenommen. Der Termin hatte allerdings den Grund, dass das Schuljahr damals noch am 1. April begann (bis 1966). Alle, die nach acht Volksschuljahren eine Lehre begannen oder ins Berufsleben eintraten, sollten dies mit der Reife tun, die durch die Konfirmationsfeier erlangt wurde.
Woher kommt der Name Palmsonntag? Im Matthäus- und Johannes-Evangelium wird beschrieben, wie die Bevölkerung von Jerusalem Jesus, der auf einem Esel in die Stadt reitet, mit Palmzweigen willkommen heißt. Vermutlich haben sie damit vor ihm die Straße gekehrt oder die Zweige als Schutz gegen die Sonne über ihn gehalten. Seit dem Mittelalter wird dieser Einzug auch in manchen Gemeinden nachgespielt und ist ins Brauchtum eingegangen.
Ich habe mal geguckt, in welchen Gemeinden es eine Palmenstraße gibt. Das ist in Mainz und Düsseldorf der Fall, in Düsseldorf am Rande des Floraparks. In Köln gibt es den Palmenweg, der sich in einem Stadtviertel mit Baumnamen befindet. Daneben gegriffen hat dagegen jener westdeutsche Hotelier, der nach 1990 in Eisenach im Palmental ein Hotel errichtete und in guter Absicht die Gartenanlage um das Gebäude mit vielen Palmen bepflanzen ließ. Im nächsten Winter waren alle erfroren.
Warum heißt die Straße aber Palmental*)? Hier ist es feuchter als in der übrigen Umgebung, weshalb die Salweide sehr gut wächst. Und da in Deutschland eben nicht wie in Jerusalem Palmen gedeihen, hat man den Einzug von Jesus am Sonntag vor Ostern mit einheimischem Gehölz nachgespielt. Die Weidenkätzchen blühen meistens schon und selbst wenn nicht, so sind sie mit ihren zarten silbrigen Knospen sehr dekorativ und leicht zu bekommen. Auf Osterkarten noch vor dreißig Jahren sind sie fast immer abgebildet. Da die Weidenkätzchen als Ersatz für die Palmenzweige genommen wurden, so nannte man sie zur Osterzeit auch Palmkätzchen. Und die konnte man im Eisenacher Palmental reichlich schneiden.
Es war Sitte, vor allem in katholischen Gegenden, einen Palmstock oder Palmbuschen zu binden und ihn in einem Zimmerwinkel aufzuhängen. Er sollte auch gegen Krankheiten schützen. Was nach Aberglauben klingt, hat einen realen Hintergrund. Schneidet man die Weidenzweige in kleine Stücke und bereitet daraus einen Tee, so nimmt man Salicin auf, das in der Leber zu Salicylsäure umgebaut wird. Und das ist der wirksame Stoff, der Fieber senkt, Schweiss treibt, Schmerzen lindert und Keime abtötet. Den Namen hat die Salicylsäure (wesentlicher Bestandteil von Aspirin) von der Weide bekommen, die botanisch Salix heißt – und von der es viele Arten gibt. – Nebenbei: Auch das im Keltengarten angebaute und in der Gemarkung reichlich zu findende Mädesüß enthält diesen Stoff.
*)An der Straße Palmental liegt auch die Alte Mälzerei, die ich 2005 erstmals im Rahmen von Recherchen zur Zichorienwurzel aufsuchte. Heute beherbergt sie ein Jazzmuseum und einen Jazzclub. So ist auch das Lippmann+Rau-Musikarchiv – Internationales Archiv für Jazz und populäre Musik der Lippmann+Rau-Stiftung in Eisenach hier beheimatet.