andere Blickwinkel – eine Art Vorwort

Neben den in unserem Ort praktizierten Glaubensrichtungen gibt es weitere Auffassungen, die Welt zu betrachten.
Auch die sollen – der Ausgewogenheit wegen – bei uns eine Stimme bekommen.

In diesem Sinne sind auch die nachfolgend eher religionskritischen Artikel zu verstehen. Denn als weltlicher Seelsorger, sprich Psychotherapeut, vor Ort, sehe ich, dass auch andere Auffassungen als die kirchlichen bei uns vertretenen sind und eine Stimme haben sollten.


Sehr viele Gläubige zählen sich zu den Weltreligionen, deren vorwiegende regionale Verteilung im Bild dargestellt ist.
Daneben gibt es auch andere Glaubensauffassungen; eine Liste dazu bis hin zum Atheismus oder purer materialistischer Wissenschaftsgläubigkeit.
Am Ende bleiben die letzten Fragen, bis auf die Erfahrung des “da Seins”, ungelöst und Glaubenssache.
Wir wissen es nicht.
Daher lohnt eigentlich auch kein Streit oder gar Krieg um diese Fragen, wie so oft schon in der Geschichte, wo Glaubenspostitionen als Begründung für weltliche Machtansprüche instrumentalisiert wurden.

Quelle: SWR

Einen tabellarisch dargestellten Überblick zu den Weltreligionen bietet die Seite:
Die 5 Weltreligionen im Vergleich.

Quelle: Wikipedia


Eine kurze Liste an Literatur für Zweifler:

  • Paul Hengge, Die Bibel – Korrektur. Auch Adam hatte eine Mutter, 1992
  • Israel Finkelstein, Neil A. Silberman, et al. Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel, 2004
  • Israel Finkelstein, Das vergessene Königreich: Israel und die verborgenen Ursprünge er Bibel, 2017
  • Richard Dawkins, Der blinde Uhrmacher. Ein neues Plädoyer für den Darwinismus. 1996
  • Richard Dawkins, Die Schöpfungslüge: Warum Darwin recht hat, 2012
  • Richard Dawkins, Der Gotteswahn, 2016
  • Tilmann Moser, Gottesvergiftung, 1980
  • Tilmann Moser, Von der Gottesvergiftung zu einem erträglichen Gott: Psychoanalytische Überlegungen zur Religion, 2003
  • Michael Kühnlein, Religionsphilosophie und Religionskritik: Ein Handbuch, 2018

Begriffsklärungen zu religiösen Anschauungen

Das Wort Glaube (latein. fides „Vertrauen, Glaube, Zutrauen“, personifiziert die Göttin der Treue) bezeichnet eine Grundhaltung des Vertrauens, vor allem im Kontext religiöser Überzeugungen.

Das Wort Religion (latein. re-legere, also re „zurück“ und legere, „verbinden, bedenken, achtgeben“; ursprünglich gemeint ist „die gewissenhafte Sorgfalt in der Beachtung von Vorzeichen und Vorschriften“)
ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Weltanschauungen, deren Grundlage der jeweilige Glaube an bestimmte transzendente (überirdische, übernatürliche, übersinnliche) Kräfte ist, sowie häufig auch an heilige, kultische Objekte.

Während der ähnliche Begriff „Religiösität“ die Ehrfurcht vor der Ordnung und Vielfalt in der Welt und die allgemeine Empfindung einer transzendenten (nicht erklär- oder beweisbaren) Wirklichkeit bezeichnet, beinhaltet „Glaube“ das Überzeugtsein von der Lehre einer konkreten Religion (oder Philosophie).

Von diesen Glaubensrichtungen haben sich manche zu Weltreligionen, zu weit verbreiteten Überzeugungen, entwickelt; siehe Weltkarte oben.
Differenziert man genauer, zeigt sich eine große Vielfalt von Glaubensrichtungen und Auslegungen der jeweiligen heiligen Schriften innerhalb der großen Religionsgemeinschaften und auch außerhalb.

Daneben finden sich auch Ungläubige, bzw. Menschen die andere Denksysteme und Welterklärungen bevorzugen.

Der Agnostizismus (griech. a-gnō̂sis, „ohne Wissen, ohne Erkenntnis“) ist eine Weltanschauung, die insbesondere die prinzipielle Begrenztheit menschlichen Wissens, Verstehens und Begreifens betont.
Der Agnostiker vertritt die Ansicht, dass Annahmen – insbesondere theologische, die die Existenz oder Nichtexistenz einer höheren Instanz, beispielsweise eines Gottes oder mehrerer, betreffen – ungeklärt oder nicht klärbar sind.
Entsprechend wird auch die Möglichkeit der Existenz transzendenter Wesen oder Prinzipien nicht bestritten. So ist Agnostizismus sowohl mit Theismus, dem Glauben an Gott oder Götter, 
als auch mit Atheismus, dem Glauben an die Abwesenheit oder die Ablehnung des Glaubens an Gott oder Götter vereinbar.
Denn die Gewissheit seiner Existenz (latein. existentia, „Bestehen, Dasein“) oder In.existenz (nicht-Existenz) fehlt.

Atheismus (griech. á-theos, deutsch ‚ohne Gott‘) bezeichnet die Abwesenheit oder Ablehnung des Glaubens an Gott oder Götter.

Im Gegensatz dazu bezeichnet Theismus (griech. theós, deutsch ‚Gott‘)
den Glauben an Götter, …
wobei der Monotheismus den Glauben an einen Gott
und der Polytheismus den Glauben an mehrere Götter bezeichnet.

Quelle: Wikipedia

Eine kurze Geschichte der Religion – Teil 4

https://www.apotheken.de/krankheiten/hintergrundwissen/5608-was-ist-sexualitaet

Zu den Rätseln, denen sich der Mensch seit jeher gegenübersieht und deren Lösung er in der Religion sucht(e), gehört die Sexualität.
Anfangs hatte man nicht einmal den Zusammenhang zwischen Koitus, Schwangerschaft und Geburt begriffen. Die Rolle des Mannes bei der Fortpflanzung war noch unbekannt. Die Fruchtbarkeit wurde in der Gestalt von Muttergottheiten verehrt.

Doch der Mann imponierte durch seinen Penis, dessen Vergrößerung und Erektion wie ein Wunder wirkte. Der Phallus wurde zum Symbol der Herrschaft und wurde in Form von Totemphählen, Tempelsäulen und Königszeptern verehrt.

In frühen Mythologien beginnt die Geschichte der Menschheit mit einer Frau; damals hatte man die Geburt eines Kindes nur auf die Mutter zurückführen können. Erst später entstanden Legenden wie die biblische Geschichte von Adam und Eva, nach denen der Mann das erste menschliche Wesen gewesen sei.
Der Wandel entsprach dem Übergang vom Mutterrecht zum Patriarchat. Die neue Auffassung beeinflusste ihrerseits fortan die Geschlechterrollen von Mann und Frau.

Durch die Geschichte der Religionen zieht sich der Konflikt zwischen einer Verherrlichung und einer Abwehr der Sexualität, da sie so eng mit dem Schöpfungsakt und dem Beginn von Leben assoziiert ist.
Nirgends sonst lässt sich das Wunde der schöpferischen Natur so unmittelbar erleben wie in der Kette der Fortpflanzungsfunktion – die früher zugleich – für Frau und Kind – so nah dem Tod war.
Nichts kann dem Menschen ein so vollkommenes Glück bieten wie die sexuelle Lust. Nichts bindet Menschen so aneinander wie die geschlechtliche Liebe. Nichts bringt Menschen so in Rage wie enttäuschte Liebe, Eifersucht und Besitzstreben. Nichts ist in diesem Zusammenhang so dumm, wie Letzteres.

Frühe religiöse Rituale waren sexuelle Orgien. Die Götter des Polytheismus lebten den Menschen die Sexualität gleichsam vor, die Ehe wie den Ehebruch, die Verliebtheit wie die Promiskuität, den Inzest wie die Strafe dafür, die erbitterten Rivalitäten wie die Formen der Perversion.

Aber die Ordnung des Gemeinschaftslebens im Interesse auch der Arbeitsteilung ließen sich nur durch sexuelle Einschränkungen etablieren und aufrechterhalten. Solche Regeln werden von Religionen „geheiligt“.
Zudem erkannte man schon sehr früh, dass religiöser Dienst und religiöse Versenkung (wie in der Gnosis) eine gewisse Abkehr von sinnlichen Freuden voraussetzt. Der Triebstrom, die Libido, musste von seinem Ursprung abgelenkt, „zielgehemmt“ und sublimiert werden, um ganz in die Gottesliebe münden zu können.
Die Sexualität wurde zu Rivalen der Religion.
Um die Menschen auf die ewige Seligkeit auszurichten, die viele Religionen ihren Gläubigen versprechen, musste die irdische Lust aus der Sexualität herabgesetzt und eingedämmt werden.
Doch die Kräfte der Libido, die in die Religion eingebracht werden, haben sie stets sexuell eingefärbt.
Die Heiligen haben ihre Visionen oft mit Worten geschildert, als ob sie eine sexuelle Erfahrung beschreiben.
Je mehr sie ihre Askese steigerten, desto intensiver wurden sie von sexuellen Versuchungen verfolgt.
Die Lieder, mit denen man Jesus, die Madonna oder eine Heilige pries, lesen sich oft wie Liebeslieder.

In dem Kampf gegen die eigene Sexualität wurden die Tendenzen des Sadomasochismus hochgetrieben, der Masochismus in der Selbstbestrafung für „sündige“ Gedanken, der Sadismus in der Verfolgung der Sexualität bei anderen und häufig im Verteufelten der Frau als Verführerin (z.B. als Hexe). Man zwang sich zu einer Verdrängung sexueller Gedanken und flüchtete in eine Neurose.

Jede Religion, jede „Kirche“ und Konfession sucht einen etwas anderen Ausweg aus dem Konflikt zwischen Anerkennung der Sexualität als der Voraussetzung jeden menschlichen Lebens und ihrer Abwehr. Manchmal ist es der Weg in den Himmel (z.B. Kamasutra), manchmal in die Hölle. So haben einige Sekten sexuelle Scheinfreiheiten gelehrt wie Nacktheit, sexuelle Vermischung oder Polygamie, um so dem Trieb ein Ventil zu schaffen.
Die katholische Kirche verweist auch den sexuellen „Sünder“ auf Beichte und Buße und befreit ihn auf diese Weise von seinen Gewissensqualen.
Aus dem Protestantismus erwuchs die Auffassung, dass der Mensche seine Energien in die Arbeit einbringen soll (Puritaner); die Sexualität wurde krampfhaft geleugnet (Prüderie).

Die sexuellen Einschränkungen durch die Religionen geben jedoch der geschlechtlichen Liebe auch einen höheren Rang. Sigmund Freud wies darauf hin, „dass die asketische Strömung des Christentums für die psychische Liebe Wertungen geschaffen hat, die ihr das heidnische Altertum nicht verschaffen konnten“.

Ein Gegenbild dafür bieten die ausgeprägten Formen des Fetischismus.
Wilhelm Stekel hat ihn als „Privatreligion“ charakterisiert. Das erotische Idol wird hier wie ein Götze verehrt, die fetischistischen Handlungen zum Ritual stilisiert. Dennoch stellt auch der Fetischismus eine Sexual-einschränkung dar, einen Ersatz der genitalen Sexualität, eine Vergeistigung, eine Versenkung in Ideen.

Nahezu alle typischen Inhalte und Formen der Religionen haben auch ihr Widerpart in der „Verherrlichung“ des „Bösen“, den schwarzen Messen und anderen protesthaften Zermonien. Ihren sexuellen Gehalt verdanken sie nicht zuletzt einer Rebellion gegen religiös-moralische Sexualtabus.

Religion verspricht Geborgenheit, ihre Kulte bieten sinnliches Erleben.
In ihrer Doppelfunktion, deren beide Tendenzen sich ständig streiten, spiegelt sich der Konflikt, der auch alle Erotik durchzieht.


Literatur:
Ludwig Knoll, Kultur/Geschichte der Erotik, 1982, Band VIII

Eine kurze Geschichte der Religion – Teil 3

katholischer Gottesdienst – Foto: Christian Offenberg

Alle Religionen haben Rituale entwickelt. Ihr Sinn ist a) die Erzeugung eines Gefühls von Sicherheit durch Wiederholung und die Einschätzbarkeit der Situation und b) die Einstimmung der Kultgemeinde auf gemeinsame Gefühle. Die heben den Menschen über ihren Alltag hinaus, helfen ihnen, sich in einer Ekstase gleichsam von sich selbst (von ihrem plappernden Geist, der alles auf sich bezieht) zu befreien, ein flow-Gefühl herzustellen. Über die Fülle der Eindrücke wird oft ein Rausch erzeugt, in dem Hemmungen abgestreift werden können, die das alltägliche Dasein eingeengt haben. Es werden Strebungen freigesetzt, die sonst unterdrückt werden müssen / müssten. So wird ein Ventil geschaffen, das eben nur in der Beziehung zum Ritual und in der Bindung an die Kultgemeinschaft, Erlaubnis findet, sonst Ablehnung und Ächtung erfährt (Beispiel Karneval in katholisch geprägten Gegenden).

Die wachsende Bedeutung des Bewusstseins und der Bildung hat Rituale wie Bindung an die Kirchen stark zurückgedrängt. Hinzu kamen Widersprüche zwischen Lehre und Forderungen sowie dem praktizierten Verhalten, inclusive Amtsmissbrauch bis hin zu vielfach religiös begründeten Aggressionen gegen Andersgläubige.
Viele Religionen lehren an sich Toleranz, aber da jede sich als absolute Wahrheit versteht und sich oft auf eine göttliche Offenbarung beruft, müssen alle anderen Religionen als Aberglaube und „Ketzerei“ erscheinen. Damit im Zusammenhang steht oft die Verpflichtung, sie zu verfolgen, auszumerzen.

Ausgebildete Religionen werden von einer Priesterschaft gewahrt. Teils galten die Priester nur als Lehrer (z.B. Rabbiner) oder als „Hirten“ ihrer Gemeinde (Pastor), teils als direkte Vermittler zur göttlichen Macht (Pfarrer). Ihren Privilegien stehen besondere Pflichten gegenüber. Insbesondere wird oft ihre Sexualität eingeschränkt. In früheren Religionen manchmal durch Kastration, in der katholischen Kirche durch Zölibat.
Die ausgebildeten Organisationsformen nennen sich Kirche. Durch sie fließen weltliche Machtinteressen ein und oft passte man sich mehr oder weniger an politische und andere weltliche Verhältnisse an.
Kirchenobere, Kirchenlehrer, mittlerweile auch Laiengruppen, interpretieren die Lehren, was immer wieder zu Abspaltungen und Sektenbildungen geführt hat.


Literatur:
Ludwig Knoll, Kultur/Geschichte der Erotik, 1982, Band VIII

Eine kurze Geschichte der Religion – Teil 2

Gehen wir noch einmal einen Schritt in der Entwicklung zurück.


Kreationisten (latein. creatio „Schöpfung“) vertreten zwar die religiöse Auffassung, dass das Universum, das Leben und der Mensch buchstäblich so entstanden sind, wie es in den Heiligen Schriften der abrahamitischen Religionen und insbesondere in der alttestamentlichen Genesis geschildert wird.
In seiner strengsten Form wird ein Erdalter von einigen Tausend Jahren postuliert und es wird von einer Sintflut ausgegangen, bei der die meisten Menschen und Tiere umgekommen sein sollen.
Die Evolution, für die es eine lange Beweiskette gibt, wird abgelehnt.

Die Evolutionstheorie beschrieb anfangs die Entstehung und Veränderung der biologischen Einheiten, speziell der Arten, als Ergebnis eines organismischen Entwicklungsprozesses im Laufe der Erdgeschichte, der andauert. Inzwischen gehen die Erkenntnisse von der physikalischen über die chemischen, über die biologische der Arten bis zur kulturellen Evolution.
Ihre drei Hauptfaktoren sind Vererbung, Variation und Selektion.
Sobald es einen Kopieralgorithmus, einen Replikator, gibt, der unvollkommene Kopien seiner selbst macht, von denen nur einige überleben, dann muss es zu einer Evolution kommen. Denn beim Vorhandensein dieser drei Faktoren müssen alle Merkmale, die das Überleben in dieser Umwelt fördern, tendenziell zunehmen.
Solche Algorithmen sind sogar „substratneutral“, d.h. sie funktionieren mit einer beliebigen Palette unterschiedlicher Materialien (z.B. auch mit Sprache, wo wir ähnliche Phänomene, wie in der Biologie beobachten können).

Zu Beginn der Evolution waren es vor allem Moleküle, die Gene, die sich als effektive Speichermedien für die Reproduktion (Vervielfältigung, Kopieranweisung) von Proteinen und anderen Bausteinen des Lebens durchgesetzt haben. Diese Information wurde langsam, gleichsam vertikal, von Generation zu Generation weitergegeben und variiert, so dass sich im Verlauf langer Zeiträume unterschiedliche Arten entwickelten und ausstarben.

Nachdem Menschen gelernt hatten, Gegenstände herzustellen oder Laute zu formen und zu imitieren, „erbten“ die Kinder das Wissen der Eltern, ihre Religion, den Hof oder das handwerkliche Können.
Mit der Entwicklung von Sprache entstand dann ein entscheidender Umschlag in den Möglichkeiten, Wissen weiter zugegeben.
Mit der Sprache entstand ein weiterer Replikator (Wiederholer, Vervielfältiger), mit dem Informationen nun nicht mehr nur vertikal weitergegeben werden konnte, sondern nun auch horizontal – innerhalb einer Generation und von wenigen an viele.
Mit Sprache ließen sich nun nicht nur Produkte kopieren, sondern auch Produktions- und Bedienungsanleitungen herstellen; es ließ sich aber auch völlig Neues kreieren, das über die Natur hinausging.

Immer mehr Geschichten (Narrative, Meme), Anleitungen und Tratsch entstanden, führte zu einem enormen Wachstumsschub des Gehirns und weiteren damit zusammenhängenden Veränderungen der menschlichen Körper.
Allmählich entwickelte sich das Wissen der Menschheit aufeinander aufbauend.
Häufig gehörte und wieder erzählte Geschichten unterlagen nun auch einem Selektionsdruck, in dem um die Verbreitung von Ideen gerungen wurde.
Dabei wirkten „Gewinner-Geschichten“ wahrer als andere – ganz unabhängig davon, ob sie wahr waren oder nicht.
Das Weitergegebene musste entweder alltagstauglich funktionieren, begeistern, emotionalisieren oder von genügend Leuten weitergetragen werden.

Mit der Schrift nun erhöhte sich die Kopiertreue, die Haltbarkeit von Informationen und, spätestens seit es gedruckte Bücher gab, erhöhte sich auch deren Verbreitungsgrad, der sich mit dem Aufkommen des Internets vor kurzem noch einmal vervielfältigte und beschleunigte.

Ein großer Verbreitungsgrad aber oder eine lange Tradition führen psychologsich zwar zu dem Eindruck von Konsistenz (latein. consistentia = Folgerichtigkeit, Geschlossenheit, logische Widerspruchsfreiheit).
Das machte Geschichten real allerdings nicht wahrer.

Zu den Geschichten des Katholizismus z.B. gehört ein allmächtiger und allwissender Gott, der Glaube an Jesus Christus als Gottes Sohn, geboren von der Jungfrau Maria, der nach seiner Kreuzigung von den Toten auferstanden und nun (in alle Ewigkeit) imstande ist, unsere Gebete zu erhören.
Darüber hinaus glauben Katholiken, dass ihre Priester ihnen in der Beichte Sünden vergeben können, dass der Papst im buchstäblichen Sinne das Wort Gottes verkündet und dass sich Brot und Wein während der Messe in das Fleisch und Blut Christi verwandeln.

Jedem, der nicht von diesen christlichen Überzeugungen infiziert ist, müssten solche Vorstellungen bizarr erscheinen: z.B.
Wie kann ein unsichtbarer Gott allmächtig wie auch allwissend sein?
Warum sollten wir eine 2000 Jahre alte Geschichte glauben, der zufolge eine Jungfrau ein Kind geboren hat?
Was kann es nur bedeuten, wenn man sagt, dass sich Wein in das Blut Christi verwandelt?
Wie kann jemand für unsere Sünden gestorben sein, wenn wir damals noch nicht einmal geboren waren?
Wie kann er von den Toten auferstehen, und wo ist er jetzt?
Wie kann ein Gebet, das man im stillen Kämmerlein spricht, etwas zu bewirken?
Natürlich gibt es eine ganze Reihe von Befunden, die die Wirksamkeit von derartigen Gebeten und die positive Wirkung von Glauben bzw. Gemeinschaft belegen, doch kaum Experimente, die die korrelativen Zusammenhänge in eine kausalen Zusammenhang stellen könnten.
Daher dürften für derartige Befunde hochwahrscheinlich Erwartungshaltung, Placeboeffekte und soziale Phänomene als Erklärung passen.


Literatur:
Ludwig Knoll, Kultur/Geschichte der Erotik, 1982, Band VIII

Eine kurze Geschichte der Religion – Teil 1

Re-ligio (latein. re = zurück, ligeo = verbinden, gewissenhafte Berücksichtigung, Sorgfalt) 
gab es wohl schon lange vor dem Römischen Reich, in dem Latein gesprochen wurde.
Wenn wir den archäologischen Deutungen folgen, dürften Religionen schon früh entstanden sein. Jedenfalls wird das aus den Grabfunden überall auf der Welt geschlossen.
Denn Grabbeigaben legen die Vermutung nahe, dass Menschen an ein Jenseits und ein Leben nach dem Tode glaubten. Damit scheinen spirituelle Gedanken und Religion über das eige kurze Leben hinauszuweisen und Orientierung zu geben.

Spirituelle Überzeugungen könnten sich aus der Einsicht der Menschen in ihre Schwäche gegenüber der Natur und dem oft als schicksalhaft erlebten Verlauf ihrer Leben entwickelt haben. Dabei dürfte auch das Gefühl und der Wunsch eine Rolle gespielt haben, dass es einen Zusammenhang zwischen dem menschlichen Leben, Leiden und den unsichtbaren Kräften gibt und dass all die Erfahrungen einen Sinn ergeben.

Heute wissen wir vom Streben des menschlichen Gehirns, Zusammenhänge zu erkennen und zu konstruieren, um Ereignisse zu verstehen oder zumindest in eine Geschichte zu gießen ….. in der Hoffnung auf Kontrolle und Verminderung von Unsicherheit in der Natur.
Wir wissen allerdings auch, wie fehlerbehaftet und gruppenabhängig Wahrnehmungen, Erinnerungen, Erkenntnisse und Erklärungsversuche und weitererzählte Geschichten sein können.

Wir können uns gut vorstellen, dass in der Frühzeit viele Phänomene, die wir heute naturwissenschaftlich erklären können, noch unverstandenen waren; z.B. der Zusammenhang von Koitus, Schwangerschaft und Geburt und das Mysterium des Lebens.
So findet man z.B. weltweit immer wieder die Vorstellung, dass die mächtigen Wesen entrückt, dem Himmel nahe, auf Bergen wohnen oder dass es eine unsichtbare Kraft (Prana, Chi, Atman, Manitu, Od, Äther, elan vital, Libido, Orgon) gibt, die Unbelebtes in Lebendiges verwandelt.
Solche Erklärungsmuster wurden inzwischen durch wissenschaftliche Erkenntnisse und Nachweise widerlegt und entmystifiziert, da all diese Prozesse sich auch ohne eine steuernde Kraft entwickeln.

Anfangs dürfte auch die Unterscheidung zwischen einem Einzelnen und seiner natürlichen Umwelt noch wenig ausgeprägt gewesen sein. Alles erscheint mit Allem verbunden, ähnlich wie in der frühen menschlichen Entwicklung, in der ein Kind die Unterscheidung von Mutter und Kind und all den anderen Dingen in der Welt und ihren sozialen Regeln erst lernen muss.
Aber auch Erscheinungen, wie z.B. Gewitter, manche Tiere und Pflanzenwirkungen, Sonnen- oder Mondfinsternis, Kometen am Himmel beunruhigten und wurden zunächst magisch gebannt und mit dem Wirken von übermächtigen Kräften der Natur oder von Göttern erklärt.

Religionen boten Erklärungen für die Entstehung der Welt und für die Weltordnung. Daraus wurden Gesetze für das Verhalten jedes einzelnen Menschen und die Regelung der mitmenschlichen Beziehungen abgeleitet.
Zunächst wurden die Kräfte, die man nicht verstand, widerstrebenden Trieben und übermächtigen Wesen zugeschrieben, die miteinander im Wettstreit lagen. Einige frühe Religionen verehrten die Ahnen oder Naturgeister und fürchteten Dämonen, einige versprachen ein glückliches Leben nach dem Tode.
Um all dem nicht völlig ausgeliefert zu sein, versuchte man sich die Ahnen oder Geistwesen mit Beschwörungen und Opfergaben gewogen zu machen.

Im Animismus wird geglaubt, dass die Dinge der Natur beseelt oder Wohnsitz von Geistern sind.
Im Totem-Glaube steht das Totem als Symbol für einen Urahn, ein Tier , eine Pflanze oder ein Objekt, das als Zeichen des Stammes verehrt wird. Verbunden wurden damit Tabus und erste moralische Forderungen für das Zusammenleben der Gruppe.
Mit der Entwicklung der polythesistenschen Religionen (Glaube an eine Vielzahl von (männlich und weiblich gedachten) Gottheiten; Vielgötterei) wurde deutlich, dass man sich das Wirken der überirdischen Kräfte im Grund nur nach dem menschlichen Erfahrungen vorstellen konnte. Die Götter erschienen als übermächtige, unsterbliche Menschen. Man schrieb ihnen alle menschlichen Leidenschaften zu, die man von sich selbst kannte. Zudem führten die polare Natur des Denkens und die widerstreitenden triebhaften Kräfte in den Menschen zu Polarisierungen, wie Liebe – Hass, Güte – Bosheit, oben -unten, männlich – weiblich usw..
Die flossen in die erzählten Geschichten ein, ebenso wie abgeleitete zu Regeln für das soziale Miteinander.

Vermutlich waren in matriarchalen Gesellschaften die Gottheiten weiblich; mit zunehmender Dominanz der Männer aber stellte man sich den obersten Gott männlich, als einen fürsorgenden und strafenden Vater, der seine Autorität auch willkürlich einsetzen konnte, vor. Während mit Göttinnen Fruchtbarkeit, Schönheit und Liebe und oft auch das Unbegreifliche, das ins Verderben führen könnte, assoziiert wurde, verkörpert der einzigen Gott im monotheistische Glauben der Juden, deren Lehren das Christentum und der Islam in sich aufnahm, die männliche Gewalt und die Überlegenheit des Geistigen über Körperlichkeit und Natur. Er wird der Sexualität entrückt, doch Reste des Poytheismus haben sich im Marienkult und der Heiligenverehrung wieder Ausdruck verschafft. Zudem gibt es auch im Monotheismus eine Art Gegengott, den Teufel, als Vertreter des Bösen, den der gute Gott gewähren lässt, um die Menschen ob ihrer Treue zu prüfen.
Der reine Buddhismus kennt hingegen keine Gottheiten, sondern nur ein ewiges Prinzip.


Literatur:
Ludwig Knoll, Kultur/Geschichte der Erotik, 1982, Band VIII

Religion und Wissenschaft – ein Vergleich

Gemeinsam haben Religionen und Wissenschaften,
dass beide versuchen die Welt zu ergründen und zu erklären.<

Zeitlich gehen dabei religiös-spirituelle Welterklärungen den wissenschaftlichen voraus, wenn wir archäologischen Deutungen von Grabfunden und ihren Grabbeigaben glauben schenken.

Da Lernen immer ein Anbauen von Neuem an vorhandenes Wissen ist, durchdringen sich die Vorstellungswelten der Arbeitsfelder immer wieder; ebenso wie sie um Deutungshoheit ringen.

Heute wissen wir vom Streben des menschlichen Gehirns, Zusammenhänge zu erkennen und zu konstruieren, um Phänomene zu beschreiben, zu verstehen oder zumindest in eine Geschichte zu gießen …..
in der Hoffnung, Kontrolle zu erlangen und um das Gefühl von Unsicherheit in der Welt zu verringern.

Wir wissen allerdings auch, wie fehlerbehaftet und gruppenabhängig Wahrnehmungen, Erinnerungen, Erkenntnisse und Erklärungsversuche (Narrative) sein können.
Wir wissen von bewussten und uns nicht bewussten Aktivitäten unseres Gehirns, von integrierten und weniger integrierten Zuständen, mit denen reale wie vorgestellte Konflikte (was im Gehirn kaum einen Unterschied macht) in uns oder in einer Gruppe verarbeitet werden, so dass es zu sehr unterschiedlichen Lösungen bzw. Scheinlösungen kommen kann.
Ebenso können wir gut nachvollziehen, wie sich Erkenntnis- und Erklärungsmodelle durch die Geschichte entwickelt haben und einordnen, dass in der Frühzeit viele Eindrücke und Erfahrungen in der Welt, die wir heute naturwissenschaftlich erklären können, noch unverstandenen waren.


wesentlicher Unterschied zwischen Religion und Wissenschaft

Der grundlegende Unterschied ist, dass Religionen Thesen und Theorien über die Welt und ihr Funktionieren aufgestellt haben und zugleich verhindern, dass sie getestet werden, wie es in der Wissenschaft gefordert ist.

Religionen liefern trostspendende, entlastende und ansprechende Ideen und entwerfen eine Maske aus „Wahrheit, Schönheit und Güte“ …
obwohl das Verhalten von Priestern und Gläubigen auf der praktischen Ebene oft nicht den postulierten (fordern, unbedingt verlangen, für notwendig, unabdingbar erklären) eigenen Idealen entspricht: siehe Glaubenskriege, Hexenverfolgung, Sexualunterdrückung oder aktuelle Missbrauchsskandale usw.,
die meist ganz anderen, weltlichen Zielen dienen.
Soziologisch und psychologisch ließe sich das erklären, aber das wäre ein anderes Kapitel.

Natürlich regen sich da Zweifel, aber Glaube muss nicht beweisen und kann es auch nicht.
Hier werden Thesen postuliert (für notwendig und unabdingbar erklärt).
Das kann man glauben oder nicht.
Zweifel kommen allerdings auch auf, da viele archäologische Befunden den schriftlichen Überlieferungen widersprechen.
z.B. berichten Finkelstein, Israel, Silberman, Neil A., in ihrem Buch >Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Biebel<, 2004 über die Faktenlage an Befunden in der am meisten umgegrabenen Region der Welt und stellen fest, dass etliche Schilderungen der Bibel mit historischen Fakten nicht zusammenpassen. z.B. gab es in Jericho keine Stadtmauer, die von Posaunen hätte zum Einsturz gebracht werden können.
Das mag auch nicht wundern, wenn man bedenkt, dass viele Geschichten erst Jahrzehnte bis Jahrhunderte später aufgeschrieben wurden. Oder wissen Sie z.B. noch, was Ihre Ur- oder Ururgroßeltrn bei ihrer Hochzeit für Kleider trugen oder gar was bei der eigenen Hochzeit auf dem Standesamt gesagt wurde?
Entsprechend haben Gläubige Erklärungen dafür, die diese kognitive Dissonanz durch Deutungen überwinden.

Ein überzeugendes Argument ist, dass es sich über Jahrtausende als gute Strategie erwiesen hat, zu glauben – viele wissenschaftliche Befunde berichten von positiven Effekten, die das Zusammenstehen in einer Gemeinschaft auf den Einzelnen hat.
Natürlich ließen sich auch dazu viele Gegenbeispiele ins Feld führen.


Theorien und Erzählungen (Narrative), ganz allgemein betrachtet, können auf allen Ebenen wachsen und gedeihen, selbst wenn sie unwahr, hässlich oder grausam sind.

Damit sind wir schon mitten in den Errungenschaften der Wissenschaft.
Ihre Geschichte wurzelt in dem Versuch, die Welt, die Natur und den Kosmos zu verstehen.
Anfangs spielten dabei Astronomie, Physik, Mathematik und Philosophie eine große Rolle.
Später brachten Chemie, Biologie, Medizin, Psychologie, Soziologie, Technik und andere hervorragende Erkenntnisse.
Zentraler Gedanke der Wissenschaft ist es, Theorien über die Welt aufzustellen und sie zu testen.
Dabei war das Streben: dass wissenschaftliche Erkenntnisse beweisbar, nachprüfbar bzw. in ihren Ergebnissen wiederholbar und zweckfrei sei.
Grundsätzlich ist Wissenschaft also ein Prozess; eine Sammlung von Methoden, mit denen man wahre Hypothesen *) von falschen unterscheiden kann.

„Ta-ta-ta-….“

Welcher Ton folgt da wohl?
Haben Sie eine Hypothese, eine Vermutung?

Diese vier Noten kennt fast jeder und dabei sind sie schon mehr als 200 Jahre alt. Erfunden hat dieses Motiv Ludwig van Beethoven.
Das „Ta-ta-ta-taaa“ stammt aus der 5. Sinfonie („Schicksals-sinfonie“), 1. Satz (Allegro con brio)

*) Hypothese, griech. hypóthesis „Unterstellung“,
meint eine als logische Aussage, als Annahme, deren Gültigkeit man zwar für möglich hält, die aber bisher nicht bewiesen ist.
Bei der Formulierung einer Hypothese ist es üblich, die Bedingungen anzugeben, unter denen sie gültig sein soll: „Immer wenn …, dann ….“.
Die Hypothese muss anhand ihrer Folgerungen überprüfbar sein, wobei sie je nach Ergebnis entweder bewiesen (verifiziert) oder widerlegt (falsifiziert) werden würde.

Dabei ist Wissenschaft keineswegs perfekt. Gelegentlich betrügen Wissenschaftler, um Macht und Einfluss zu gewinnen, und ihre falschen Ergebnisse können jahrzehntelang überleben und ganze Gruppen oder Generationen in die Irre führen.


Falsche Theorien gedeihen – in der Wissenschaft wie in der Religion
oft aus denselben Gründen

Zum Beispiel überdauern trostspendende Vorstellungen eher als angsteinflößende;
Geschriebenes wird als wahrer und beständiger angenommen als Gesprochenes, das flüchtiger wirkt; Ideen, die Menschen entzücken und Emotionen wecken, sind populärer als solche, die das nicht tun; Menschen sind eher geneigt Vorstellungen von Menschen, die persönlich bekannt, berühmt oder erfolgreich sind, anzunehmen, als solche von Menschen, deren Haltung man nicht teil oder die ethnisch einer anderen Gruppe angehören.

Besonders gut verteilen und erhalten sich Informationen und Geschichten (Narrative), wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
Wiedergabetreue (sowohl bei genetischen wie imitatorisch geprägter Informationen), Fruchtbarkeit (in Sinne der weiten Verbreitung) und Langlebigkeit der Information (z.B. über assoziiierte positive Emotionen, Wiederholungen oder Schriftform) .
Als sehr praktisch hat sich im Laufe der Menschheitsgeschichte erwiesen, wenn nicht nur ein Produkt kopiert, sondern eine Herstellungsanleitung (z.B. für die Praxis eines Rituals) weitergegeben wird.


Da sehen wir zum Beispiel religiös motivierte Kreationisten (latein. creatio „Schöpfung),
die davon ausgehen, dass ein Gott die Welt, so wie sie ist, erschaffen hat.
Der Schöpfungsmythos besagtdass das Universum, das Leben und der Mensch buchstäblich so entstanden sind, wie es in den Heiligen Schriften der abrahamitischen Religionen und insbesondere in der alttestamentlichen Genesis geschildert wird.
In seiner strengsten Form postuliert Kreationismus ein Erdalter von einigen Tausend Jahren, (wogegen inzwischen alle wissenschaftlichen Befund und Messungen sprechen).
Aber Glaube muss nicht beweisen, er postuliert (= fordert, erklärt für notwendig und unabdingbar).
Dem kann man folgen – oder auch nicht.

Oder Kindern werden von früh auf (dann wenn sich ihr Gehirn und ihr Denken ausbilden) Geschichten erzählt von einem allmächtiger und allwissender Gott in irgendeinem Himmel
und von Jesus Christus, der als Gottes Sohn von der Jungfrau Maria geboren wurde,
der nach seiner Kreuzigung von den Toten auferstanden
und nun (in alle Ewigkeit) imstande ist, unsere Gebete zu erhören.
Darüber hinaus glauben Katholiken, dass ihre Priester ihnen in der Beichte Sünden vergeben können,
dass der Papst im buchstäblichen Sinne das Wort Gottes verkündet
und dass sich Brot und Wein während der Messe in das Fleisch und Blut Christi verwandeln.

Jedem, der nicht von diesen christlichen Überzeugungen infiziert ist, müssten solche Vorstellungen bizarr erscheinen. Vielleicht würde er sich fragen

  • Wie kann ein unsichtbarer Gott allmächtig wie auch allwissend sein?
  • Warum sollten wir eine 2000 Jahre alte Geschichte glauben, der zufolge eine Jungfrau ein Kind geboren hat?
  • Was kann es nur bedeuten, wenn man sagt, dass sich Wein in das Blut Christi verwandelt?
  • Wie kann jemand für unsere Sünden gestorben sein, wenn wir damals noch nicht einmal geboren waren?
  • Wie kann er von den Toten auferstehen, und wo ist er jetzt?
  • Wie kann ein Gebet, das man im stillen Kämmerlein spricht, etwas zu bewirken?

Im Verlauf der Zeit zeigten sich natürlich viele frühere Vorstellungen (wie auch Lebenwesen) auf dem Weg zu einer tragfähigen Theorie (einem langlebigen Modell) als nachweislich falsch.
So findet man z.B. weltweit immer wieder die Vorstellung, dass mächtige Wesen entrückt, dem Himmel nahe, auf Bergen (z.B. dem Olymp) wohnen oder dass es eine unsichtbare Kraft (Prana, Chi, Atman, Manitu, Od, Äther, elan vital, Libido, Orgon) gibt, die Unbelebtes in Lebendiges verwandelt.
Anders hatte man sich das nicht vorstellen können.
Neuere Erklärungsmuster konnten solche Vorstellungen nachweislich widerlegen und entmystifizieren.

Dennoch gibt es eine ganze Reihe von Befunden, die die Wirkungen von Gebeten und die positiven Effekte von Glauben bzw. Gemeinschaft belegen, doch es gibt kaum Experimente, über die solche Aussagen verifizierbar (durch Überprüfen die Richtigkeit einer Sache bestätigen) wären.
So dürfte eine hochwahrscheinliche Erklärung dafür in Erwartungshaltung, Placeboeffekten, in sozialen Phänomenen und im Glauben daran zu finden sein.
Wie schon gesagt, muss Glaube nichts beweisen, es reicht den Gläubigen die Vermutung einer Richtigkeit der Hypothese. Der Inhalt des jeweiligen Glaubens (interessanterweise von jeder der vielen verschiedenen Glaubensrichtungen) wird für wahrscheinlich gehalten; oft sogar mit besonderen spirituellen Erfahrungen, die ein absolutes Wissen suggerieren, begründet.

Auch mir persönlich sind solche Erlebnisse, so genannte Gipfelerfahrungen (z.B. nach dem Besteigen eines Berges mit dem sich dann öffnenden freien Blick und einem Gefühl der Verbundenheit mit allem) oder als Satori aus bewegten oder stillen Meditationen oder kontemplativen Versenkungen bekannt.
Bei mir haben diese Erfahrungen jedoch einen anderen Interpretationsweg als den religiösen genommen. Das dürfte individuell unterschiedlich und von lebensgeschichtlichen Wegen abhängig sein.


Aus wissenschaftliche Sicht sehen wir, statt eines schöpfenden und planenden Geistes, über Millionen von Jahren vor allem physikalische und chemische Prozesse, die sich evolutionär entwickelten und sich selbst ein Umfeld für diese Entwicklungen wurden.

Der Historiker Yuval Noah Harari beschreibt in >Eine kurze Geschichte der Menschheit< 2015 die Folgen des Urknall wie folgt:
„Vor rund 13,5 Milliarden Jahren entstanden Materie, Energie, Raum und Zeit in einem Ereignis, den wir als Urknall bezeichnen. Die Geschichte dieser grundlegenden Eigenschaften unseres Universums nennen wir Physik.
Etwa 300.000 Jahre später verbanden sich Materie und Energie zu komplexeren Strukturen namens Atome, die sich wiederum zu Molekülen zusammenschlossen. Die Geschichte der Atome, Moleküle und ihrer Reaktionen nennen wir Chemie.
Vor 3,8 Milliarden Jahren, auf dem Planeten, den wir Erde nennen, begannen bestimmte Moleküle, sich zu großen und komplexen Strukturen zu verbinden, die wir als Organismen bezeichnen. Deren Geschichte nennen wir Biologie.
Und vor rund 70.000 Jahren begannen Organismen der Art Homo Sapiens mit dem Aufbau von komplexeren Strukturen namens Kulturen. Deren Entwicklung nennen wir Geschichte.
Tiere der Menschenaffenfamilie gab es schon vor 6 Millionen Jahren.
Die ersten menschenähnlichen Lebewesen betraten vor etwa 2,5 Millionen Jahren die Bühne Namens Erde. Damals gab es eine ganze Reihe von Menschenarten.
Aber über zahllose Generationen hinweg stachen sie nicht aus der Vielzahl der Tiere heraus.
Vor rund 2 Millionen Jahren verließen die Urmenschen ihre ursprüngliche Heimat Ostafrika und machten sich auf den langen Marsch nach Nordafrika, Europa und Asien.
Durch Anpassung an die verschiedenen Klimazonen entwickelten sich z.B. die, die wir heute Neandertaler, Solo-Menschen, Homo florensiensis, Homo erectus, Homo denisova, Homo rudolfensis oder Homo ergaster nennen, von denen die letzten bis vor ca. 10.000 Jahren gleichzeitig mit dem Homo sapiens auf unserem Planeten lebten.
Die Geschichte der menschlichen Kulturen wurde von drei großen Umwälzungen geprägt:
Die kognitive Revolution vor etwa 70.000 Jahren brachte die Geschichte überhaupt erst in Gang.
Die landwirtschaftliche Revolution vor rund 12.000 Jahren beschleunigte sie und
die wirtschaftliche Revolution, die vor ca. 500 Jahren ihren Anfang nahm, könnte das Ende der Geschichte und könnte der Beginn von etwas völlig Neuem sein.“

Ca. 500 Millionen Jahre lang waren es bestimmte Moleküle, die sich als effektive Speichermedien für die Reproduktion (Vervielfältigung, Replikation) von Proteinen und anderen Bausteinen des Lebens erfolgreich erwiesen. Mit diesen Erbinformationen wurde die Informationen, wie man seinesgleichen herstellt, durch Vererbung vertikal von Generation zu Generation weitergegeben. Durch Mutationen (Abschreibfehler) entstandene Variationen und via Selektion in verschiedenen Umwelten, die unterschiedliche Merkmale und Fähigkeiten herausbildeten und durchsetzten, während andere verschwanden.

Waren der evolutionäre Prozess von Lebewesen anfangs von Genen und zufälligen Mutationen abhängig, betrat damit, dass bestimmte Primaten begannen Verhalten zu imitieren und Sprache zu entwickeln, ein neuer bedeutender Faktor die Bühne.
Mit der Sprache aber war ein weiterer Replikator (Wiederholer, Vervielfältiger) entstanden, der einen entscheidenden Umschlag in den Möglichkeiten markiert, wie nun Wissen auch horizontal, innerhalb einer Generation, und von einem an viele, weitergegeben werden konnte.
Mit Sprache ließen sich nun nicht nur Produkte kopieren, sondern auch Produktions- und Bedienungs-anleitungen herstellen; es ließ sich aber auch völlig Neues kreieren, das über die Natur hinausging.

Zugleich aber begannen nun auch Bewusstseinsinhalte (Narrationen) um ihr „Weiterleben“ zu konkurrieren.
Eine neue Art der Selektion, wie auch der Koevolution, von Genen und Gedanken bzw. Wissen begann.
Mit den neuen Möglichkeiten entwickelte sich das menschliche Gehirn, während immer mehr Geschichten, Klatsch und Tratsch – was andere getan haben, vielleicht tun könnten, denken, erwarten usw. – Anleitungen, entstanden, mit denen sich das Wissen der Menschheit aufeinander aufbauend entwickelte.

Mit der Schrift erhöhte sich die Kopiertreue und die Haltbarkeit von Informationen.
Spätestens seit es gedruckte Bücher gab, erhöhte sich auch deren Verbreitungsgrad von Informationen, der sich mit dem Aufkommen des Internets vor kurzem noch einmal vervielfältigte und beschleunigte.


Replikatoren, seien es Gene, Computerprogramme, Viren, Geschichten oder andere Informationen, sind lediglich chemische, sprachliche oder sonstwie codierte Algorithmen, die Information enthalten, etwas herzustellen, zu kopieren, zu kopieren, zu kopieren ….
Sie sind lediglich eine Information, etwas in bestimmter Art und Weise zu tun / ablaufen zu lassen.

Nicht dass Algorithmen willkürlich auftreten; sie folgen den Regeln eines deterministischen Chaos.

Ein einfaches Beispiel dafür ist das Fallen eines Blattes. Es fällt je nach dem Ausgangszustand in sehr unterschiedlicher Weise nach unten – es verhält sich chaotisch. Trotzdem wirken auch in diesem Falle physikalische Gesetze. Man bezeichnet das Verhalten solcher Systeme als deterministisches Chaos.

Dabei kann man nicht voraussagen, was passiert, es lassen sich aber Wahrscheinlichkeitsbereiche aufzeigen, was mutmaßlich, höchstwarscheinlich, möglicherweise passieren wird.

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Immer dann wenn 3 Voraussetzungen gegeben sind, kommt es unweigerlich zu einer Evolution (lat. evolvere = abwickeln, entwickeln).
1.) Reproduktion oder Replikation, indem von einem System Kopien hergestellt werden, die sich 2.) voneinander und von ihrem Ursprungssystem durch Kopierungenauigkeiten unterscheiden. Die Folge ist Variation. 3.)  zeigen sich in der Auseinandersetzung mit der Umwelt unterschiedliche Wahrscheinlichkeit einer jeden Variante, als Element in jene Stichprobe zu gelangen, aus der die nachfolgende Population zusammengesetzt wird: Selektion.

Da diese Prozesse als deterministisches Chaos zu beschreiben sind, herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass die biologische Evolution nicht zwangsläufig zur Entwicklung von bewusster Intelligenz führt. Auf der Erde wurden die Bedingungen der Evolution von Intelligenz erst nach mindestens 530 Millionen Jahren erfüllt, obwohl die fortschreitende Evolution von Vielzellern schon zuvor eine Reihe notwendiger Voraussetzungen bereitstellte.

Dazu ist kein leitender Geist (Gott, Ich, Seele) notwendig und lässt sich auch (auch im eigenen Körper) nicht finden.
Selbst unsere Vorstellung von einem handelnden Selbst ist, wissenschaftlich betrachtet, nur eine Geschichte, die uns hilft im Alltag besser zu bestehen.

Diese Vorstellungen sind schwer auszuhalten, zudem erzeugen sie unangenehme Gefühle, die man nicht haben möchte, eben sowenig wie die volle Verantwortung – ohne Schutz – für das eigene Leben. Daher greifen oft Abwehrmechanismen, die uns von dieser inneren Spannung erlösen.

Beim menschlichen Denken und Verhalten unterliegen die Verläufe den Aufmerksamkeitsfokussierungen, den gelernten und bereits vorhandenen Informationsfeldern, den emotionalen Stimulationen, wie auch gesellschaftlichen Drücken und Popularitäten, die Selektionsdrücke organisieren.

Aktuelles Beispiel in Zeiten der Corona-Krise 2020 wurde das Tragen eines Mundschutzes zu einer Pflicht ausgerufen, während noch kurz zuvor ein Vermummungsverbot galt und eine leidenschaftliche, ablehnende Burkadiskussion geführt wurde und Masken eher dem Karneval zugeordnet wurden. Regeln können sich, wenn hinreichend neue Geschichten in einer bestimmten Richtung erzählt werden, sehr schnell ändern.
Dazu in einem anderen Artikel mehr.)

Die Algorithmen an sich sind subtratneutral. (d.h. sie funktionieren mit einer breiten Palette von Medien und unterschiedlichen Materialien.)
Substratneutral heißt, dass das Material, in dem solche Prozesse stattfinden, spielt also keine Rolle – nur die Logik des Prozesses ist wichtig: seine Logik lässt sich gleichermaßen auf jedes beliebige System anwenden, in dem es Variation, Selektion und Vererbung (Weitergabe von Information an andere) gibt.
Sie verkörpern also ein allgemeines Prinzip der Evolution.

Dennoch sind solche algorithmische Handlungsanweisungen sind völlig vernunftlos.
Im evolutionären Prozess entwickelte sich ja erst ein Gehirn, das steuernde Gedanken denkt.
Und obwohl Algorithmen so ohne Vernunft funktionieren, ergeben sich aus solchen Kopieranleitungen im Laufe langer Zeiträume, in denen diese Prozesses abgelaufen sind, zwangsläufig einmalige, komplexe und unvorhersehbare Entwicklungen, wenn nur die Startbedingungen stimmen.
Dazu brauche es keine intentional steuernde Instanz.
Alles was es braucht, sind die richtigen Startbedingungen, dann ist Evolution die zwangsläufige Folge.


Dennoch ist es menschlich nachvollziehbar, dass, wie selbstverständlich, in Kathegorien der eigenen Vorstellungswelt gedacht wird, um vorgefundene Dinge und und Situationen sowie die eigenen Reaktionen darauf, zu interpretieren.

Aber das bedeutete nicht, dass die weitergegebenen Erkenntnisse wahr sein mussten.
Sie mussten entweder alltagstauglich funktionieren, begeistern oder von genügend Leuten weitergetragen werden.

Früher „erbten“ die Kinder den Glauben, den Hof oder das handwerkliche Können der Eltern, so wie sie deren Gene geerbt hatten. Und auch die in Erzählungen wurden die Geschichten von Generation zu Generation weitergegeben und später in schriftlicher Form langlebig gemacht.
Heute sind viele Informationen vielen zugänglich und im Wettstreit der angebotenen Interpretationsmöglichkeiten funktionieren die alten Weitergabemechanismen nicht mehr so gut, wie sich an den Zahlen der Kirchenaustritte zeigen lässt.
Das heißt aber nicht, dass die Menschen nun besser integrierte Zustände erreicht haben und Ambivalenzen und Widersprüche besser aushalten und bewusster damit umgehen. Das zeigt sich unter anderem an vielen spirituellen, aber auch politisch-ideologisch radikalen Strömungen, die aktuell wieder Bedeutung gewinnen.

Ein hoher Verbreitungsgrad oder eine lange Traditioneine gesellschaftlich gleichklingende Strebung, (wie wir sie in unserem Lande z.B. mit katholischen und evangelischen Gebieten hattendie bestimmte Verhaltensnormen vorgaben) führen psychologsich zu dem Eindruck von Konsistenz (latein. consistentia = Folgerichtigkeit, Geschlossenheit, logische Widerspruchsfreiheit).
Diese subjektive Gefühl macht solche subjektiven Narrative allerdings in der Realität nicht objektiv wahrer.
Höchstens lassen sich aus den Geschichten die Vorstellungen ihrer Zeit nachvollziehen.


Literatur

Susan Blackmore, Die Macht der Meme, 2000
Wikipedia

Kommentar:

Thomas Ransbach predigte in einem Wortgottesdienst in der St. Thomas Morus-Kirche zum Thema:
“Wie hältst Du es mit der Wahrheit” und beschäftigte sich mit Fake-News und dem Johannesevangelium. Darüber zitiere ich aus dem Gießener Anzeiger: “Wahrheit ist seit dem Einsetzen der Aufklärung in Europa vor rund 240 Jahren nicht länger vom Glauben und seinen dogmatischen Postulaten bestimmt, sondern vom menschlichen Forschergeist, vom Fragen, Prüfen, Messen, Rechnen, Vergleichen und systematischen Validieren, von der verantwortungs-vollen Debatte in der Demokratie, vom Argument, vom Zuhören, von Logik. Niemand halte da alleine die Wahrheit in der Hand, aber die öffentliche Debatte von und mit den Forschern und Naturwissenschaftlern unserer Zeit bringe uns nah an die Wahrheit der Welt und “weg von Sektierern, populistischen Schreihälsen und irren Verschwörungstheoretikern, die in allen Ländern ähnliche ihre Wahnideen verbreiten und Tatsachen leugnen. Sie sind nicht vom Geist oder Liebe gelenkt, sondern ausschließlich von archaischen, unreflektiertem Hass.” Sie haben nicht das Leben auf der Erde im Blick, …. das es zu bewahren gilt, sondern einzig den stets schnell ausfindig gemachten äußeren und und schuldigen Feind und seine Komplizen. Sich selbst sehen sie stets als unschuldige Opfer und fühlen sich paranoid von fremden Mächten oder Kräften überwacht. Ihre Lügen, allzu einfachen Antworten und Verzerrungen der Wirklichkeit gefährden öffentliche engagierte Menschen wie Wissenschaftler und Politiker und deren Familien. ….
Die Wahrheit suchen, sei der Kern der Wissenschaft – auch der medizinisch-virologischen Disziplin – und aller verantwortungsbewusst denkenden, handelnden und forschenden Menschen.
Ransbach meinte, es sei sehr viel besser, in einem permanenten, öffentlichen Erkenntnisprozess mit all seinen Lücken, Schwächen und Fehlern nach den physischen Eigenschaften und dem biochemischen Lebenszyklus zu suchen, als darüber irgendetwas zu behaupten und das gewinnträchtig zu verbreiten.”

Quelle: Gießener Anzeiger, 12. Juni 2020, Artikel von Klaus-Dieter Jung: 2000 Jahre alt und dennoch aktuell

Die Macht der Bilder

Und auf der gleichen Seite 5, in der oben groß ein Massengrab gezeigt wird, finden sich in einem Interview über die Sterblichkeitsraten in Hessen während der Corona-Krise unten rechts in der Ecke folgende Zeilen:

Quelle: Gießener Anzeiger, 6. und 9. Mai 2020

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Größer wirkt bedeutsamer als kleines; Höher erscheint übergeordnet, Schwer erscheint gewichtiger und bedeutsamer, geschriebenes erscheint glaubwürdiger als das vergängliche gesprochene Wort, reich oder mächtig wird mit kompetenter verbunden, dynamisches fasziniert mehr als statisches usw.

Unsere Wahrnehmung (besser Wahrgebung, da es ein aktiver Prozess ist) folgt bestimmten Mustern, denn wir müssen in Sekundenbruchteilen Gefährliches von Vertrautem und Freundlichem, Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden.
Das funktioniert mit unserem schnellen, unbewussten schematisch reflexhaft arbeitenden Hirnteilen, während die rationalen, höheren Funktionen mehr Zeit benötigen, um sich ein differenziertes Urteil zu bilden. Zunächst genügt das Vorurteil, um nicht gefressen zu werden. Zu lange überlegt, bedeutet nämlich vielleicht nichts mehr korrigieren zu können.
Wir richten uns nach der Gestalt, was umgangssprachlich die äußere Form, den Umriss, meint. Denn für Tiere und Menschen ist es überlebensnotwendig, einen Raubfeind oder einen potentiellen Geschlechtspartner unter den verschiedensten Bedingungen wiederzuerkennen.
Als Fachbegriff geht es dabei um das klassische Problem des Übergangs von äußerlich wahrnehmbarer Welt zur inneren Vorstellungswelt, wo unser persönlicher Eintag in unser inneres “Navi” eine Gestalt bildet. In ihr verbindet sich die Aktivität mit der Wahrnehmung zu einer Einheit, in der der Übergang zwischen Anschauung und Bedeutung verschmilzt. Das Aktuelle und seine Beurteilung wird von früheren Erfahrungen sowie von der Auswahl des Fokus und des Figur-Hintergrundes in einem Raum beeinflusst.
Das Auftreten bestimmter Merkmalsgruppen kann somit auch als ein Objekt gedeutet werden, das real nicht vorhanden ist. Wir kennen das von optischen Täuschungen.

Quelle: Lexikon der Neurowissenschaft

Dabei gibt es regelhafte Tendenzen, wo wir Gefahr laufen, etwas systematisch falsch aufzufassen:

  • Gesetz der Nähe / Gesetz der gemeinsamen Region
    Elemente mit geringen Abständen zueinander werden als zusammengehörig wahrgenommen.
    Sind (große) Zwischenräume und Leere in einem Bild notwendigerweise Elemente zur Trennung?
    Bäume z.B. werden, wenn sie zusammenstehen, eher als Hain oder Wald gesehen, denn als Bäume.
    Elemente in abgegrenzten Gebieten; z.B. unter einem Sonnenschirm stehende Personen, werden als zusammengehörend empfunden.
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  • Gesetz der Ähnlichkeit
    Einander ähnliche Elemente werden eher als zusammengehörig erlebt als einander unähnliche.
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  • Gesetz der guten Gestalt
    Gestalten mit einprägsamer und einfacher Struktur (= „Gute Gestalt“) werden bevorzugt beachtet.
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  • Gesetz der Kontinuität / Gesetz der guten Fortsetzung (oder der durchgehenden Linie)
    Linien werden immer so gesehen, als folgten sie dem einfachsten Weg.
    Kreuzen sich zwei Linien, so gehen wir typischerweise nicht davon aus, dass der Verlauf der Linien an dieser Stelle einen Knick macht, sondern wir sehen zwei gerade durchgehende Linien.
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  • Gesetz der Geschlossenheit
    Es werden bevorzugt Strukturen wahrgenommen, die eher geschlossen als offen wirken.
    Unser Gehirn ergänzt Dinge, die nicht vorhanden sind.

  • Gesetz des gemeinsamen Schicksals / Gesetz der verbundenen Elemente
    Zwei oder mehrere sich gleichzeitig in eine Richtung bewegende Elemente werden als eine Einheit oder Gestalt wahrgenommen. Verbundene Elemente werden oft als ein einziges Objekt empfunden.

  • Gesetz der Gleichzeitigkeit
    Elemente, die sich gleichzeitig verändern, werden als zusammengehörig empfunden.

Quelle: Wikipedia: Gestaltpsychologie

Wir sind immer zwei Seiten einer Geschichte

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Der Kuss von Gustav Klimt (1907–1908)

Ob als Paar daheim, ob mit den KollegInnen im Büro, in der Politik, im Streit, selbst bei Mobbing oder Hassbotschaft, wie auch im liebevollem Miteinander: „Wir sind immer zwei Seiten einer Geschichte“
Denn ohne ein Gegenüber, sei es Person oder Thema, gibt es keinen Bezugspunkt, der von uns selbst mit Sinn aufgeladen und gedeutet wird.
Immer liegt es also an uns selbst, ob wir das Trennende oder das Gemeinsame / Ergänzende in Bezug auf den oder das andere in unseren Vordergrund unserer Aufmerksamkeit nehmen und für bedeutsam / wichtig / wesentlich erklären.
(Unter anderen Umständen fiele diese Ansicht möglicherweise auch ganz anderes aus.)

Nie ist unser Eindruck objektiv. Oder andersherum ausgedrückt: immer ist unser Eindruck subjektiv.
Niemand kann je wissen, was außerhalb seiner selbst ist.
Alles was wir über die Welt wissen, ist, was und wie unsere Sinnesorgane sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen – und das nur im Rahmen ihrer Bauart und in dem eingeschränkten Spektrum, in dem sie Unterschiede messen. Das „wie es außerhalb von uns selbst“ aussieht, darauf haben sich Menschen im Laufe der Zeit geeinigt. Für den Alltagsgebrauch reicht es ja auch, wenn man sich damit hinreichend verständigen kann. … Bis wir uns einer Wahrnehmung bewusst werden, kommen zu unseren Eindrücken dann noch (aufgrund unserer aktuellen Bedürfnislage und unserer früheren Erfahrungen) die Interpretation in unserem Gehirn dazu. Interessant dabei ist, dass die meisten Zellen im Gehirn vor allem untereinander kommunizieren und nur wenige je echten Kontakt mit der Außenwelt haben.

Wir können anderen lediglich von unserem Empfinden, von unserem aktuellen Fokus der Aufmerksamkeit, von den dazugehörigen Erfahrungen in der Vergangenheit und von unseren Zukunftserwartungen und Wünschen, von unseren Vorstellungen und unserem Weltbild erzählen … am besten ich „Ich-Form“.
Das zeigt, dass ich mir darüber bewusst bin, was ich sage.
Was „man“ will und tut oder wer und wie „du“ bist, kann ich nicht wissen!
Falls Ich darüber eine Aussage treffen möchte (also dem anderen eine Selbstoffenbarung darüber geben will, wie es in mir aussieht), dann bitte bei den zuschreibenden „Du-Sätzen“ nicht den ersten Teil des Satzes: „Ich finde, Du bist …“ weglassen.

Aus diesen Überlegungen geht auch hervor, dass es unmöglich ist, jemand anderen glücklich oder unglücklich zu machen. Über die eigene Erleben, Denken, Gefühl, Handeln und Befinden entscheidet letztlich jeder selbst – auch wenn manche Einladungen (sehr) starke Aufforderungen sind, etwas in einer bestimmten Weise anzunehmen und mit zu erleben.
Wir können also zwingend erscheinende Einladungen aussenden; doch ob diese Angebote angenommen werden, liegt bei zwei Leuten eben nur bei „geteilt durch 2“ bei 50 % in der Hand des Einladenden.
Denn jeder Mensch ist ein autonomes (selbstbestimmtes) Wesen – auch Kinder! … Partner, Untergebene.

Daher bestimmt jeder – ob bewusst oder ohne Wissen – selbst, was und wie oder ob überhaupt sie/er etwas in den „Scheinwerfer“ der Aufmerksamkeit nimmt und für wie tragbar er /sie das Risiko einschätzt, auf ein Kommunikationsangebot einzugehen.
Es bestimmt auch immer der Empfänger den Inhalt einer Botschaft. Denn man kann nur wahrnehmen, was man zumindest schon ein bisschen kennt. Anderes kann man nicht einmal sehen, hören usw. – Typisches Beispiel: Sie suchen Spinat in grüner Verpackung im Eisschrank, das dort jedoch in einer weißen Verpackung liegt … und finden … nichts, obschon das Gesuchte da ist; nur dass es nicht ihren Erwartungen und Suchkriterien entspricht: darum (er)kennen Sie es nicht.
Daran ist also nicht der/das andere „Schuld“, sondern die eigene Einstellung und Erwartungshaltung.
Dies zu erkennen und sich darüber bewusst zu bleiben, könnte viel Unglück in der Welt verhindern helfen. Es könnte immer wieder Wege der Verständigung eröffnen, wo sonst archaische Gefühle von Angst vor XY oder die Wut über XY und die vermeintlich böse Welt die inner Führung übernehmen würden.

Bildquelle:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_Kiss_-Gustav_Klimt-_Google_Cultural_Institute.jpg

Kindeswohl

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Bild: unicef.de

Kindeswohlgefährdung

Diese Thema geht alle an, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten:

Bildergebnis für kindeswohlgefährdung
Bild: https://www.haushaltstipps.net/kindeswohlgefaehrdung/
Bildergebnis für kindeswohlgefährdung
Bild: https://www.google.de/search?q=kindeswohlgef%C3%A4hrdung&tbm=isch&source=iu&ictx=1&fir=iffaq8DzdhzksM%253A%252COFzsPERGgX8QWM%252C_&vet=1&usg=AI4_-kRsI3sxD-5mwZKrk6W_3W0Z7-c1yw&sa=X&ved=2ahUKEwjPvZnQqLLmAhWmwMQBHQGOC70Q9QEwAHoECAcQAw#imgrc=gnuYcMotlplHvM:&vet=1
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Schutzauftrag gegenüber Kindern und Jugendlichen
Information und Selbstverpflichtungserklärung

In Ihrem Kursangebot haben Sie Kontakt zu Kindern und Jugendlichen und Sie sind in diesem Rahmen auch für deren Schutz und Wohlergehen verantwortlich.

Gewalt und Misshandlung kommen in allen sozialen Kontexten vor und leider zählen auch Kinder und Jugendliche zu ihren Opfern.
Sexueller Missbrauch und Gewalt verletzen die Würde und die Integrität des Menschen. Wir sagen ein klares Nein dazu, sehen nicht darüber hinweg und werden Übergriffe nicht tolerieren. Wir übernehmen Verantwortung für die uns anvertrauten Menschen und schaffen sichere Räume in unserer Arbeit. Wir werden alles mögliche tun, einen Zugriff von Tätern und Täterinnen auf Kinder und Jugendliche in den eigenen Reihen auszuschließen.

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gefährdung und für ihr Wohl ist auch ein zentraler Bestandteil des Sozialgesetzbuchs (SGB) – 8. Buch Kinder- und Jugendhilfe. Ziel ist es, eine Gefährdung des Wohls von Kindern und Jugendlichen durch grobe Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch zu verhindern.

Diese gesetzliche Fürsorgepflicht gegenüber Kindern und Jugendlichen gilt nicht nur für Eltern, sondern auch für Kursleiter und Kursleiterinnen in Vereinen, Kirchen, Kitas, Schulen, Feuerwehr usw. – überall wo mit Kindern gearbeitet und umgegangen wird.

Sollten Sie – in welchem Zusammenhang auch immer – Kenntnis über gewichtige Anhaltspunkte für eine akute, schwerwiegende Gefährdung eines Kinder oder Jugendlichen erlangen, sind Sie verpflichtet, dieses einer zuständigen Person, z.B. auf Leitungsebene, zu melden. Unter Beachtung der Schweigepflicht und des Datenschutzes kann eine Fachberatungsstelle – z.B. der Kinderschutzbund Gießen, die Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch Wildwasser Gießen e.V. – oder ein internes Krisenteam hinzugezogen werden.

Besteht eine akute Gefahr für das Kind oder den/die Jugendliche, ist eine Meldung beim Jugendamt nach § 8a vorzunehmen. Ist das Jugendamt nicht unmittelbar erreichbar, geht die Information an die Dienststelle der Polizei.

Auszüge aus dem SGB 8 zu Ihrer Kenntnis:
§ 1 Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe
1. Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung
und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und
gemeischaftsfähigen Persönlichkeit.
2. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der
Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.
Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(Grundgesetz Artikel 6 steht, Abs. 2)
3. Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechts nach Abs. 1 insbes.
– junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung
fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder
abzubauen,
– Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten
und unterstützen,
– Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen,
– dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen
und ihre Familien sowie eine Kinder- und familienfreundliche
Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.

§ 8a Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung
1. Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die
Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so
hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer
Fachkräfte einzuschätzen. Soweit der wirksame Schutz dieses Kindes
oder dieses Jugendlichen in Frage gestellt wird, hat das Jugendamt
die Erziehungs-berechtigten sowie das Kind oder den Jugendlichen
in die Gefährdungseinschätzung einzubeziehen und, sofern diese
nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist, sich dabei einen
unmittelbaren Eindruck von dem Kind und von seiner persönlichen
Umgebung zu verschaffen. Hält das Jugendamt zur Abwendung der
Gefährdung die Gewährung von Hilfen für geeignet und notwendig,
so hat es diesen den Erziehungsberechtigten anzubieten.
2. …
3. …
4. In Vereinbarungen mit den Trägern von Einrichtungen und
Diensten, die Leistungen nach diesem Buch erbringen, ist
sicherzustellen, dass
– deren Fachkräfte bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte
für die Gefährdung eines von ihnen betreuten Kindes oder
Jugendlichen eine Gefärdungseinschätzung vornehmen,
– bei der Gefährdungseinschätzung eine insoweit erfahrene Fachkraft
beratend hinzugezogen wird sowie
– die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder Jugendliche in die
Gefährdungseinschätzung einbezogen werden, soweit hierdurch der
wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen nicht in Frage
gestellt wird.

In der ev. Kirche Hessen und Nassau wird gemäß der Kinderschutzverordnung von allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis nach § 30a BZRG (Bundeszentralregistergesetz) verlangt. Darüber hinaus haben alle eine Selbstverpflichtungserklärung abzugeben und regelmäßige (alle 3 Jahre) an einer Schulung teilzunehmen, die der Vermeidung von Kindeswohlgefährdung und einer Sensibilisierung für dieses Thema dient.

Selbstverpflichtung
– Ich will die mir anvertrauten Jungen und Mädchen, Kinder und
Jugendlichen vor Schaden und Gefahren schützen.
– Ich verpflichte mich, alles mir Mögliche zu tun, dass in meinen /
unseren Angeboten keine Grenzverletzungen, keine körperliche oder
seelische Gewalt, kein sexueller Missbrauch und keine sexualisierte
Gewalt möglich werden.
– Ich nehme die individuellen Grenzempfindungen der Mädchen und
Jungen, der Kinder und Jugendlichen wahr und ernst. Ich respektiere
die persönlichen Grenzen der Scham der Teilnehmer/innen sowie
der Mitarbeiter/innen.
– Ich beziehe gegen sexistisches, diskriminierendes, rassistisches und
gewalttätiges verbales und nonverbales Verhalten aktiv Stellung.
– Ich werte Menschen nicht ab und achte darauf, dass andere in den
von mir geleiteten Kursen sich so verhalten.
– Ich gestalte meine Aufgabe als Kursleiter/in im Umgang mit Nähe
und Distanz verantwortungsvoll. Ich nutze meine Rolle nicht für
sexuelle Kontakte zu mir anvertrauten jungen Menschen aus.
– Ich nehme Grenzüberschreitungen durch andere Mitarbeiter/innen
und Teilnehmende bewusst wahr und toleriere sie nicht.
– Ich weiß, dass Betroffene kompetente Hilfe benötigen, die sie bei den
Kollegen und Kolleginnen und bei der beauftragten Vertrauensperson
unserer Einrichtung bekommen können.
– Mit meiner Unterschrift bestätige ich, dass ich die Information zur
gesetzlichen Fürsorgepflicht gegenüber Kindern und Jugendlichen
zur Kenntnis genommen habe.
– Ich lege der Leitung unserer Institution vor Beginn meiner Tätigkeit
ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis nach § 30a BZRG zur
Einsicht vor; die Wiedervorlage erfolgt alle 5 Jahre.
– Ich nehme regelmäßig (alle 3 Jahre) an einer Schulung teil, die der
Vermeidung von Kindeswohlgefährdung dienst, erstmals während des
ersten Jahres meiner Tätigkeit als Kursleiter/in.

Quelle: Fortbildung in der Ev. Familien-Bildungsstätte Gießen, 26.9.2019 – Text verallgemeinernd abgewandelt (d. Verf.)

Wildwasser Gießen ist eine Beratungsstelle für Opfer sexueller Gewalt.
Dort werden kostenlos Beratungen angeboten für betroffene Mädchen und Jungen, für Eltern und Unterstützungspersonen und für lokale Fachkräfte – zur Gefährdungseinschätzung § 8a SGB VIII.

§1631 BGB: Inhalt und Grenzen der Personen sorge
1. Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht,
das Kind zu Pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen
Aufenthalt zu bestimmen.
2. Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche
Bestrafung, seelische Verletzungen und andere Maßnahmen sind
unzulässig.

§1666 BGB Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls
1. Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahren abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

Das Wohl des Kindes ist gefährdet z.B. durch
– missbräuchliche Ausübung der elterlichen Gewalt‘
– Vernachlässigung des Kindes
– unverschuldetes Versagen der Eltern
– Verhalten von Dritten
– wenn Eltern keine Hilfe annehmen (wollen oder können).

Eine Garantenstellung besitzt, wer Schutz- und Beistandspflichten übernommen hat. Entscheidend für die Begründung der Garantenstellung ist nicht das Vorliegen eines Arbeitsvertrages oder eines Dienstverhältnisses sondern die tatsächliche Übernahme der Vertrauensstellung. Der oder diejenige ist aufgrund der sozialen Sonderstellung verpflichtet, Gefahren von der Person, die er/sie betreut, abzuwenden.
Ist eine solche Person untätig, wenn sie von der Gefahr für die Betreute weiß, kann sie nach § 13 StGB wegen „unechter Unterlassung“ verurteilt werden. Dies bedeutet, dass die untätige Person verurteilt werden kann, als hätte sie selbst die Straftat (z.B. sexuellen Missbrauch) begangen.

Wesentliche Vorgaben für den Schutz von Kindern und Jugendlichen sind:
– nicht mehr alleine handeln
– Gefährdung einschätzen
– erfahrende Fachkraft hinzuziehen
– prüfen, ob man mit den Eltern reden darf
– falls möglich, Eltern Hilfe anbieten
– Hilfsangebote an die Eltern kontrollieren
– zur Nachvollziehbarkeit der Intervention genau dokumentieren.

Quelle: PowerPointPräsentation der Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch Wildwasser Gießen e.V. – „Sicher in die Welt“ – anlässlich einer Qualifizierung für Tagespflegepersonen

Weitere Infos z.B.:
file:///C:/Users/Alfon/AppData/Local/Temp/4_12_14%20Bericht%20kurz.pdf
https://service.hessen.de/html/Beratung-bei-Kindeswohlgefaehrdung-durch-eine-Kinderschutzfachkraft-7087.htm https://www.dresden.de/media/pdf/jugend/kinderschutz/Handlungsempfehlung_Kindeswohlgefaehrdung.pdf
https://mbjs.brandenburg.de/media_fast/6288/empfehlungen_kinderschutz_bbg.pdf
https://statistik.hessen.de/pressemitteilungen/pm_1879.html
https://lks-hessen.de/sites/default/files/downloads/inhalte/Broschuere%20Kassel.pdf

Bild: unicef.de