Jesus hätte auch ein Mädchen, oder oder werden können – Teil 1

Dieser Artikel ist um Weihnachten herum entstanden, daher erklärt sich der Titel.

Gerade die Weihnachtszeit, in der wir uns symbolisch auf die Ankunft eines Kindes freuen und die Wiedergeburt des Lichtes mitten im Winter feiern, scheint mir ein geeigneter Anlass, mich diesem Thema, das so Vorurteilsbehaftet ist, zuzuwenden und Aufklärung zu betreiben.

HO HO HO

Nach langem Sträuben und Verleugnen hat der Gesetzgeber 2018 endlich offiziell anerkannt, dass es mehr als zwei “Geschlechter” gibt – wobei ich finde, dass es zwei “Gegute” heißen müsste, was automatische andere und freundlichere Assoziationen hervorrufen würde. Traditionell aber, vor religiösen Hintergründen, wurden körperliche Belange, assoziiert mit weiblich, als schmutzig und nieder gewertet, im Vergleich zu, verknüpft mit männlich, Geistigem und Tanszendentem (jenseitigem).
Unsere Körper, unsere biologische Natur, ist aber nun mal die Basis unseres Lebens, das wir identifiziert mit bestimmten Daseinsmustern verbringen. Die Natur, wie auch unsere Kultur, bringen nun unterschiedliche Daseinsformen hervor, die hier aus medizinischer wie aus psychologischer Sicht näher angeschaut werden können:

Die biologischen Bedingungen im Frau Inter Trans Mann – Werdeprozess

In den Frühstadien seiner Entwicklung trägt der Säugetierembryo das Potential (die Anlage) zur männlichen wie zur weiblichen Form in sich.

Lithograph by J. G. Bach of Leipzig after drawings by Haeckel, from Anthropogenie published by Engelmann – Nick Hopwood. “Pictures of Evolution and Charges of Fraud:: Ernst Haeckel’s Embryological Illustrations”, Isis 97 (2006), 260-301 

Die anfänglich undifferenzierten Keimdrüsen (Gonaden) entwickeln sich entweder zu Hoden oder zu Eierstöcken, je nach dem genetischen Kode, den die unterschiedlichen Erbanlagen (Chromosomen) der männlichen 46, XY- oder der weiblichen 46, XX-Gene bilden.
Dennoch verläuft diese Differenzierung (Unterschiedsbildung), ungeachtet der genetischen Programmierung, stets in Richtung der weiblichen Form, sofern nicht die erforderlichen Testosteronspiegel (ein Sexualhormon) im Blut der Mutter und damit des Kindes gegeben sind. Mit anderen Worten: selbst wenn die Erbinformation mit XY-Chromosom männlich ist, führt eine zu geringe Menge am Sexualhormon Testosteron zur Ausbildung weiblicher Geschlechtsmerkmale. Das Prinzip der Feminisierung hat dann Vorrang gegenüber der Maskulinisierung.

Videos zur Anatomie der Geschlechtsorgane

Beim Menschen sind die primitiven, urtümlich Keimdrüsen ab der 6. Schwangerschaftswoche auszumachen, wenn beim männlichen Embryo unter dem Einfluss des genetischen Kodes testikuläre, also vom Hoden kommende, Hormone ausgeschüttet werden.
Messbar sind dann zum Einen der Müllersche Hemmstoff, der eine hemmende Wirkung auf die normale weibliche Entwicklung der Gonaden ausübt und zum Anderen das Testosteron, das das Wachstum innerer und äußerer männlicher Organe fördert; insbesondere die Entwicklung der beidseitig angelegten Wolffschen Gänge (der Ur-Nierengänge).
Liegt ein weiblicher Gencode vor, setzet in der 12. Schwangerschaftswoche die Ausdifferenzierung der Eierstöcke (Ovarien) ein. Im Verlauf der normalen weiblichen Entwicklung wird aus den primitiven Müllerschen Gängen die Gebärmutter (der Uterus), die Eileiter und das innere Drittel der Vagina.
Bei Männern dagegen entwickelt sich das System der Müllerschen Gänge zurück, während sich das System der Wolffschen Gänge ausbildet und zu Samenleiter, Samenblasen und Ausspritzungsgängen wird.

Während also die inneren Vorläufer sowohl von männlichen als auch weiblichen Geschlechtsorganen zur möglichen Entfaltung bereitliegen, sind die Vorläufer der äußeren Genitalien unitypisch; das heißt, dieselben Vorläufer können sich entweder zu männlichen oder zu weiblichen äußeren Geschlechtsorganen entwickeln.
Sind während der kritischen Phase der Unterschiedsbildung ab der 9. Schwangerschaftswoche keine passend hohen männlichen Sexualhormone (Androgene: Testosteron und Dihydrotestosteron) gegeben, kommt es zur Entwicklung von Klitoris, Vulva und Vagina. Sind die Hormonspiegel passend hoch, bilden sich Penis mit Eichel und Hodensack. Bei normalem Verlauf entwickeln sich die Hoden innerhalb es Bauchraumes (Abdomen) und wandern während der 9. Schwangerschaftswoche an ihre Position im Hodensack (Skrotum).

Nachdem die Entwicklungsrichtung von inneren und äußeren Genitalien festgelegt ist, verläuft – unter dem Einfluss der im vorgeburtlichen (fötalen) Kreislauf zirkulierenden fötaler Hormone – die Entfaltung bestimmter Hirnbereiche dimorph
(Als dimorph bezeichnet man in der Biologie das Auftreten in zwei verschiedenen Formen der selben Gattung.)
Das Gehirn ist ambitypisch angelegt, also typischerweise ambivalent, doppelsinnig, zwiespältig, widersprüchlich; und auch hier setzt sich die Entwicklung weiblicher Charakteristika durch, wenn kein adäquater Spiegel an vermännlichenden Hormonen im Blut zirkulieren.
So kommt es zur jeweils spezifischen (unverkennbaren) Ausgestaltung von Funktionen im Hypothalamus und in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), die sich bei Frauen hin zum Zyklischen (wiederkehrenden, periodischen) und bei Männern hin zum Nichtzyklischen ausformen. Diese Differenzierung des Gehirns hin zum weiblichen oder männlichen Typus erfolgt im 3. Schwangerschaftsdrittel (27. -40. Schwangerschaftswoche), nachdem die Unterschiedsbildung der Geschlechtsorgane stattgefunden hat. Vermutlich setzt sich diese Entwicklung während der ersten drei nachgeburtlichen Monate noch fort.

Bei Säugetieren, die keine Primaten sind, legen die vorgeburtlichen hormonellen Unterschiede im Gehirn die Struktur des späteren Paarungsverhaltens fest.

Bei Primaten, wozu auch wir Menschen gehören, hingegen sind frühe soziale Kommunikation und soziales Lernen von vorrangiger Bedeutung für die Ausformung des Sexualverhalten.

Die Steuerung tatsächlichen Paarungsverhaltens ist daher weitgehend von den frühesten sozialen Interaktionen, von den wechselseitigen Formen des Miteinander, abhängig. Dabei reagiert das Kind schon auf kleinste Reize und Stimmungen, auf die Art, wie es gehalten wird, auf das Leuchten in den Augen der Bezugspersonen, auf angemessene Versorgung seiner Bedürfnisse, auf lustvolle Stimulation seiner Haut, ob die Mutter still oder eine Flasche anbietet, usw., ob es sich bedroht oder geborgen fühlt.

Die Ausgestaltung der sekundären (sich später entwickelnden) Geschlechtsmerkmale während der Pubertät – Verteilung von Körperfett und Haarwuchs, Stimmbruch und Stimmwechsel, Entwicklung der Brüste, starkes Wachstum der Genitalien – wird von zentralnervösen Wirkfaktoren in Gang gesetzt und durch einen bedeutsamen Anstieg an im Blut zirkulierenden Andogenen oder Östrogenen gesteuert, ebenso wie die spezifischen weiblichen Funktionen von Menstruation, Schwangerschaft und Milchbildung.

Ein hormonelles Übergewicht kann die sekundären Geschlechtsmerkmale verändern.

Bei Jungen und Männern kommt es durch Androgenmangel, also einem Mangel an männlichen Geschlechtshormonen, zu Gynäkomastie (Brustdrüsenvergrößerung beim Mann), bei Mädchen und Frauen führt ein Androgenüberschuss zu Hirsutismus, also zur Ausbildung eines männlichen Behaarungstyps, zu einem Tieferwerden der Stimme und Vergrößerung, also Hypertrophie der Klitoris. Ob sich Veränderungen im Hormonspiegel auch auf das Verlangen und Sexualverhalten auswirken, ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt. Klar ist, dass sich bei Männern das sexuelle Verlangen bei unzureichender Verfügbarkeit von Androgenen verringert – bis hin zur sexuellen Apathie; bei normalem oder erhöhtem Spiegel an zirkulierenden Androgenen bleibt das Verlangen und Verhalten aber bemerkenswert unabhängig. Führt man bei niedrigem Androgenspiegel künstliches Testosteron zu, normalisiert sich das sexuelle Verlangen und Verhalten. Rollenverständnis und Selbstbild scheinen hier zudem wirksam zu sein.
Ähnlich zeigt sich in Studien an Frauen, dass zwar direkt vor und nach der Menstruation das sexuelle Verlangen gesteigert ist, dass dies aber nur unwesentliche Schwankungen der Hormonspiegel sondern viel stärker von psychosozialen Reizen abhängt. Insgesamt, im Gegensatz zu anderen Säugetieren, liegt das Schwergewicht der sexuellen Erregung (Arousal) beim Menschen eindeutig auf psychosozialen Determinanten (Bestimmungsgrößen, Faktoren).

https://www.kreis-freising.de/fileadmin/user_upload/Aemter/Amt_fuer_Jugend_und_Familie/Besondere_Fachdienste/Koordinierende_Kinderschutzstelle/Koki_Vortrag_Reck_Depressinen_Angststoerungen_2015.pdf

Wenn wir uns die Entwicklung der menschlichen Geschlechtsmerkmale anschauen und auf der biologischen Stufenleiter verfolgen, stellen wir also fest, dass die psychosoziale Interaktion, sowohl ganz früh im Zusammenspiel von Säugling und seinen versorgenden Menschen, insbes. der Mutter, wie auch später eine zunehmend wichtige Rolle bei der Ausformung des erwachsenen Verhaltens – auch des Sexualverhaltens – spielen. Im Verhältnis dazu tritt bei uns Menschen die Steuerung durch genetische und hormonelle Faktoren klar zurück, auch wenn Adnrogene die Intensität des sexuellen Verlangens und des Sexualverhaltens bei Frauen wie bei Männern beeinflussen können. Dabei legen die biologischen Befunde nahe, dass sexuelle Verhaltensweisen, die normalerweise typischer für das eine Geschlecht sind, als Möglichkeit (Potential) auch im anderen Geschlecht vorhanden sein können.
Dennoch sind die Intensität des sexuellen Arousal, die Einengung der Aufmerksamkeit auf sexuelle Reize und die physiologischen Reaktionen sexueller Erregung – gesteigerte Blutzirkulation, Tumeszenz, Lubrikation von Geschlechtsorganen – allesamt hormonell gelenkt.

Foto: Lindemann; u.a.
Quelle: Otto F. Kernberg, Liebesbeziehungen – Normalität und Pathologie, Klett-Cotta, 2014 – Übersetzung Christoph Trunk

Otto F. Kernberg ist Direktor des Personality Disorder Institute am New York-Presbyterian Hospital, Westchester Division und Professor für Psychiatrie am Weill Cornell Medical College, New York. Er war lange Präsident der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPA) und gilt als einer der bedeutendsten psychoanalytischen Forscher und Theoretiker.

Zeitreise – oder: Gedanken zur Wahrnehmung

Ein Gastbeitrag von Dr. Lothar DreseWettenberg

Mit dem Auge nehmen wir Lichtwellen selbstleuchtender Lichtquellen (z.B. Sonne) oder von nicht selbstleuchtenden Gegenständen reflektierte Lichtwellen dieser Lichtquellen (z.B. Mond) auf.
Auf der Netzhaut des Auges werden durch diesen Lichtreiz Nervenzellen stimuliert, die diesen entstehenden Nervenreiz an das Sehzentrum des Gehirns weiterleiten. Hier im Gehirn geschieht dann die menschliche visuelle (optische) Wahrnehmung, indem eine subjektive Bildempfindung konstruiert wird.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Redewendung „einen Blick darauf werfen“ also nicht ganz korrekt.
Der Mensch ist nicht in der Lage, eine Art „Sehstrahl“ auf Gegenstände zu werfen und diese so zu erblicken. Wir können nur das sehen, was entweder selbst in unser Auge strahlt (bspw. Lampe) oder angestrahlt wird und die Lichtwellen in unser Auge reflektiert (bspw. Blume). Daher können wir eine durch Tageslicht angestrahlte Blume sehen, während wir sie nachts nicht wahrnehmen können, obwohl sie existent ist und wir unseren Blick darauf richten.

Gemeinhin würde man entgegnen „Logisch, ist ja auch dunkel“. Dies ist jedoch der springende Punkt: Dunkelheit ist lediglich das Resultat aus fehlenden Lichtwellen, die reflektiert werden könnten.
Dunkelheit ist kein absoluter Bereich der Verborgenheit, sie verhindert den Sehprozess nicht, wenn der Gegenstand selbstleuchtend ist (z.B. Sterne).

Dies hat eine erstaunliche Konsequenz zur Folge:
Wir sind also darauf angewiesen, dass Lichtwellen in unser Auge fallen. Dieser Prozess kostet natürlich Zeit, denn Licht ist nicht einfach vorhanden, sondern breitet sich von seiner Quelle mit einer Geschwindigkeit von 300.000 km pro Sekunde aus.

Folgende Situation (gerundete Werte): Wir beobachten ein Fahrzeug von einer Brücke. Es bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h und ist 1 km von uns entfernt. In dem Moment der subjektiven Bildkonstruktion durch die reflektierten Lichtwellen haben diese also die Strecke von 1 km zurückgelegt und dafür 3 × 10-6 Sekunden (3 Mikrosekunden) benötigt. In dieser Zeit hat sich das Fahrzeug natürlich weiterbewegt und zwar 2 × 10-3 Meter (2 Millimeter). Das Fahrzeug befindet sich also in dem Moment der Wahrnehmung gar nicht mehr an der beobachteten Stelle. Wir registrieren folglich optisch Vergangenes.

Sicherlich ist der Effekt im obigen Beispiel marginal (nebensächlich). Der Effekt sinkt sogar bei abnehmender Distanz und geringerer Geschwindigkeit, wächst aber erheblich mit zunehmendem Abstand und steigender Geschwindigkeit des betrachteten Gegenstands.

Wenn wir eine Rakete beobachten, die mit 30.000 km/h am Mond vorbeifliegt – der 400.000 km entfernt von uns ist – dann befindet sich die Rakete während der Beobachtung eigentlich 10 km weiter vorne als das von uns konstruierte Bild.

Noch weiter entfernt: Das James-Webb-Teleskop soll am 24. 12. 2021 ins All starten und spektakuläre Bilder des Universums präsentieren. Das eingefangene Licht für die Bildgebung wird 13,8 Mrd. Lichtjahre unterwegs gewesen sein, also beschert es uns einen Ausflug von 13,8 Mrd. Jahren in die Vergangenheit: kurz nach dem Urknall. Wie das Universum der Gegenwart aussieht, werden wir nie erfahren, es ist schlicht nicht möglich, da die visuelle (die das Sehen betreffende) Wahrnehmung von der Lichtgeschwindigkeit abhängig ist.

Grundsätzlich ist dieses physikalische Kuriosum der Optik omnipräsent (allgegenwärtig) und eröffnet einen eindrucksvollen Fakt: Es gibt keine visuelle Gegenwart.
Wir leben mit dem, was wir Sehen, immer in einer optischen Vergangenheit.

Quelle und Fotos: Dr. Lothar Drese

Digitalisierung im Kinderzimmer – nützliche Links

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Hirnentwicklung im Mutterleib

Alles Verhalten hat Auswirkungen.
Diese Wirkungen hängen von Inhalten, von Art und Dauer eines Gebrauches sowie von der altersgemäßen Passung des Angebotes ab:
Je jünger und undifferenzierter ein Organismus,
desto langfristiger und globaler die Auswirkungen.
Je höher die Dosis,
desto gravierender die Folgen im Gehirn.

Entwicklung digitaler Medien

Marianne Büsing: Digitale Medien – Fluch oder Segen für die kindliche Entwicklung?

neuronale Vernetzung vom Neugeborenen bis 2. Lebensjahr
oben: täglicher Fernsehkosum weniger als 1 Stunde
unten: täglicher Fernsehkonsum mehr als 3 Stunden
Bild: Zeitschrift Nervenheilkunde 7/2013

Daher hier eine Liste nützlicher Links für Eltern:

http://www.dkhw.de/schwerpunkte/medienkompetenz

http://www.kika.de/fernsehen

http://www.tivi.de/

http://www.arte.tv/guide/de/pus7/junior

http://www.helles-koepfchen.de/

http://www.kinderfilmwelt.de/

http://www.iff.de/

http://www.handysektor.de/

http://www.surfen-ohne-risiko.net/

http://www.klicksafe.de/

http://www.klick-tipps.net/

http://www.surfen-ohne-risiko.net/

http://www.chatten-ohne-risiko.net/

http://www.internet-abc.de/

http://www.fimmo.de/

http://www.seitenstark.de/

http://www.zum.de/

http://www.hanisauland.de/

https://www.fragfinn.de/

http://www.watchyourweb.de/

http://www.schau-hin.info/

http://www.internet-abc.de/

http://www.erfurter-netcode.de/

http://www.checkeins.de/videos

http://www.jugendschutz.net/

http://www.jugend-support … bietet Hilfe bei Stress im Netz

Eltern, Kinder und das Smartphone / Tablet usw.

Kinder zwischen 2 und 5 Jahren sollten maximal eine Stunde pro Tag vor dem Tablet sitzen, empfiehlt die American Academy of Pediatrics. (Quelle: ÄrzteZeitung)

Kinder orientieren sich an Erwachsenen, wollen gerne so toll wie sie sein. Eltern haben Vorbildfunktion.

Spitzer, Manfred, Generation Google, Wie verändern digitale Medien unsere Bildung, Moral und personale Identität? Nervenheilkunde, 29: 711-716, 11/2010

Inzwischen sind Mediengeräte im Alltag mit Kindern allgegenwärtig; insbesondere in diesen Zeiten der Corona-Beschränkungen, in denen Eltern gleichzeitig Eltern, Lehrer, Betreuer sein müssen, während sie den Haushalt und zum Teil auch noch das Homeoffice bewältigen sollen,
Doch immer wieder weisen Fachleute darauf hin, dass schon das Experiment Fernsehen für viele keinen Bildungsgewinn brachte; um so weniger wird das Gedaddel auf Smartphone, Tablet, PC oder Spielekonsole bei den meisten Kindern und Jugendlichen solche positiven Effekte zeitigen.
Schlimmer noch – und das beginnt schon bei Babies – macht die permanente Präsens des Mediums, eines “Dazwischen”, einen ernsthaften Verlust: starren Mutter und Vater – zum Teil selbst während des Spielens, Essens oder Spaziergangs mit dem Kind – immer wieder auf das Handy, fehlt den Kindern der Blickkontakt und die Lebendigkeit der Mimik im Gesicht ihrer Eltern. Diese Kommunikationsmittel müssen sie ja erst interpretieren lernen, so wie Sprache auch.
Auch den Eltern fehlen die vielen kleinen, subtilen Hinweise des Kindes, die sie einfach nicht mehr sehen,
so dass es zu zunehmenden Kontaktstörungen kommt. Mit dem Kind kommt, ähnlich wie beim Handy, kein Kontakt zustande, wenn man keine Aufmerksamkeit und keinen Augenkontakt herstellt bzw. den grünen Knopf nicht drückt. Dann kommt keine Verbindung und erst recht keine Verständigung zustande.
Die Folge der anhaltend wechselnden Bilder, die gerade kleinen Kindern kaum eine Chance zur Strukturierung der Eindrücke lassen, sind Wahrnehmungsstörungen, fehlende Frustrationstoleranz (Spannung aushalten), Lerndefizite, insbesondere Sprachverzögerungen, Empathiestörungen (fehlendes Einfühlungsvermögen). Dabei spielt ein allgemein eingeschränktes Erkundungs- und Bewegungsverhalten eine Rolle, da sich der Radius in dem sich das Kind bewegt und denkt, durch die von außen vorgegebenen Inhalte vorgegeben ist. Eigenes neugieriges Entdecken und Erfinden, Lernen, sich anstrengen, scheinen nicht erstrebenswert – wie auch das Vorbild der Eltern (scheinbar) zeigt. Das ist so, weil sich das Kind selbst (mit dem begehrten Spielzeug in den Händen) weniger bewegt, aber auch, weil ihm die Sicherheit fehlt, dass die Eltern es im Blick haben und es sich sicher fühlen kann.

Hilfreich sind gemeinsam eingehaltene Rituale, die auch die kleine Welt der Kinder überschaubar und einschätzbar macht, Strukturen entwickeln lässt, die Orientierung geben. Das könne zum Beispiel sein: kein Handy beim Essen, im Schlafzimmer / Kinderzimmer, in Fahrzeugen, beim Nachhause kommen oder beim Filme schauen. Symbolisch könne man zusammen mit dem Kind das Handy zum Schlafen hinlegen und es außer Sicht- und Hörweite in eine Kiste legen. Auch auf dem Spielplatz wie in der Schule kann das Handy in der Tasche bleiben.
„Allezeit bereit“ muss nicht und ist auch nicht gesund!
Experimente haben gezeigt, dass allein die Anwesenheit eines Handys im Raum, kaum merkliche, aber messbaren chronischen Stress auslöst, selbst wenn es keine Signaltöne abgibt.

Anregende Quelle: Gießener Anzeiger, 08. 06. 2020

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Kindergesundheit

Religion und Wissenschaft – ein Vergleich

Gemeinsam haben Religionen und Wissenschaften,
dass beide versuchen die Welt zu ergründen und zu erklären.<

Zeitlich gehen dabei religiös-spirituelle Welterklärungen den wissenschaftlichen voraus, wenn wir archäologischen Deutungen von Grabfunden und ihren Grabbeigaben glauben schenken.

Da Lernen immer ein Anbauen von Neuem an vorhandenes Wissen ist, durchdringen sich die Vorstellungswelten der Arbeitsfelder immer wieder; ebenso wie sie um Deutungshoheit ringen.

Heute wissen wir vom Streben des menschlichen Gehirns, Zusammenhänge zu erkennen und zu konstruieren, um Phänomene zu beschreiben, zu verstehen oder zumindest in eine Geschichte zu gießen …..
in der Hoffnung, Kontrolle zu erlangen und um das Gefühl von Unsicherheit in der Welt zu verringern.

Wir wissen allerdings auch, wie fehlerbehaftet und gruppenabhängig Wahrnehmungen, Erinnerungen, Erkenntnisse und Erklärungsversuche (Narrative) sein können.
Wir wissen von bewussten und uns nicht bewussten Aktivitäten unseres Gehirns, von integrierten und weniger integrierten Zuständen, mit denen reale wie vorgestellte Konflikte (was im Gehirn kaum einen Unterschied macht) in uns oder in einer Gruppe verarbeitet werden, so dass es zu sehr unterschiedlichen Lösungen bzw. Scheinlösungen kommen kann.
Ebenso können wir gut nachvollziehen, wie sich Erkenntnis- und Erklärungsmodelle durch die Geschichte entwickelt haben und einordnen, dass in der Frühzeit viele Eindrücke und Erfahrungen in der Welt, die wir heute naturwissenschaftlich erklären können, noch unverstandenen waren.


wesentlicher Unterschied zwischen Religion und Wissenschaft

Der grundlegende Unterschied ist, dass Religionen Thesen und Theorien über die Welt und ihr Funktionieren aufgestellt haben und zugleich verhindern, dass sie getestet werden, wie es in der Wissenschaft gefordert ist.

Religionen liefern trostspendende, entlastende und ansprechende Ideen und entwerfen eine Maske aus „Wahrheit, Schönheit und Güte“ …
obwohl das Verhalten von Priestern und Gläubigen auf der praktischen Ebene oft nicht den postulierten (fordern, unbedingt verlangen, für notwendig, unabdingbar erklären) eigenen Idealen entspricht: siehe Glaubenskriege, Hexenverfolgung, Sexualunterdrückung oder aktuelle Missbrauchsskandale usw.,
die meist ganz anderen, weltlichen Zielen dienen.
Soziologisch und psychologisch ließe sich das erklären, aber das wäre ein anderes Kapitel.

Natürlich regen sich da Zweifel, aber Glaube muss nicht beweisen und kann es auch nicht.
Hier werden Thesen postuliert (für notwendig und unabdingbar erklärt).
Das kann man glauben oder nicht.
Zweifel kommen allerdings auch auf, da viele archäologische Befunden den schriftlichen Überlieferungen widersprechen.
z.B. berichten Finkelstein, Israel, Silberman, Neil A., in ihrem Buch >Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Biebel<, 2004 über die Faktenlage an Befunden in der am meisten umgegrabenen Region der Welt und stellen fest, dass etliche Schilderungen der Bibel mit historischen Fakten nicht zusammenpassen. z.B. gab es in Jericho keine Stadtmauer, die von Posaunen hätte zum Einsturz gebracht werden können.
Das mag auch nicht wundern, wenn man bedenkt, dass viele Geschichten erst Jahrzehnte bis Jahrhunderte später aufgeschrieben wurden. Oder wissen Sie z.B. noch, was Ihre Ur- oder Ururgroßeltrn bei ihrer Hochzeit für Kleider trugen oder gar was bei der eigenen Hochzeit auf dem Standesamt gesagt wurde?
Entsprechend haben Gläubige Erklärungen dafür, die diese kognitive Dissonanz durch Deutungen überwinden.

Ein überzeugendes Argument ist, dass es sich über Jahrtausende als gute Strategie erwiesen hat, zu glauben – viele wissenschaftliche Befunde berichten von positiven Effekten, die das Zusammenstehen in einer Gemeinschaft auf den Einzelnen hat.
Natürlich ließen sich auch dazu viele Gegenbeispiele ins Feld führen.


Theorien und Erzählungen (Narrative), ganz allgemein betrachtet, können auf allen Ebenen wachsen und gedeihen, selbst wenn sie unwahr, hässlich oder grausam sind.

Damit sind wir schon mitten in den Errungenschaften der Wissenschaft.
Ihre Geschichte wurzelt in dem Versuch, die Welt, die Natur und den Kosmos zu verstehen.
Anfangs spielten dabei Astronomie, Physik, Mathematik und Philosophie eine große Rolle.
Später brachten Chemie, Biologie, Medizin, Psychologie, Soziologie, Technik und andere hervorragende Erkenntnisse.
Zentraler Gedanke der Wissenschaft ist es, Theorien über die Welt aufzustellen und sie zu testen.
Dabei war das Streben: dass wissenschaftliche Erkenntnisse beweisbar, nachprüfbar bzw. in ihren Ergebnissen wiederholbar und zweckfrei sei.
Grundsätzlich ist Wissenschaft also ein Prozess; eine Sammlung von Methoden, mit denen man wahre Hypothesen *) von falschen unterscheiden kann.

„Ta-ta-ta-….“

Welcher Ton folgt da wohl?
Haben Sie eine Hypothese, eine Vermutung?

Diese vier Noten kennt fast jeder und dabei sind sie schon mehr als 200 Jahre alt. Erfunden hat dieses Motiv Ludwig van Beethoven.
Das „Ta-ta-ta-taaa“ stammt aus der 5. Sinfonie („Schicksals-sinfonie“), 1. Satz (Allegro con brio)

*) Hypothese, griech. hypóthesis „Unterstellung“,
meint eine als logische Aussage, als Annahme, deren Gültigkeit man zwar für möglich hält, die aber bisher nicht bewiesen ist.
Bei der Formulierung einer Hypothese ist es üblich, die Bedingungen anzugeben, unter denen sie gültig sein soll: „Immer wenn …, dann ….“.
Die Hypothese muss anhand ihrer Folgerungen überprüfbar sein, wobei sie je nach Ergebnis entweder bewiesen (verifiziert) oder widerlegt (falsifiziert) werden würde.

Dabei ist Wissenschaft keineswegs perfekt. Gelegentlich betrügen Wissenschaftler, um Macht und Einfluss zu gewinnen, und ihre falschen Ergebnisse können jahrzehntelang überleben und ganze Gruppen oder Generationen in die Irre führen.


Falsche Theorien gedeihen – in der Wissenschaft wie in der Religion
oft aus denselben Gründen

Zum Beispiel überdauern trostspendende Vorstellungen eher als angsteinflößende;
Geschriebenes wird als wahrer und beständiger angenommen als Gesprochenes, das flüchtiger wirkt; Ideen, die Menschen entzücken und Emotionen wecken, sind populärer als solche, die das nicht tun; Menschen sind eher geneigt Vorstellungen von Menschen, die persönlich bekannt, berühmt oder erfolgreich sind, anzunehmen, als solche von Menschen, deren Haltung man nicht teil oder die ethnisch einer anderen Gruppe angehören.

Besonders gut verteilen und erhalten sich Informationen und Geschichten (Narrative), wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
Wiedergabetreue (sowohl bei genetischen wie imitatorisch geprägter Informationen), Fruchtbarkeit (in Sinne der weiten Verbreitung) und Langlebigkeit der Information (z.B. über assoziiierte positive Emotionen, Wiederholungen oder Schriftform) .
Als sehr praktisch hat sich im Laufe der Menschheitsgeschichte erwiesen, wenn nicht nur ein Produkt kopiert, sondern eine Herstellungsanleitung (z.B. für die Praxis eines Rituals) weitergegeben wird.


Da sehen wir zum Beispiel religiös motivierte Kreationisten (latein. creatio „Schöpfung),
die davon ausgehen, dass ein Gott die Welt, so wie sie ist, erschaffen hat.
Der Schöpfungsmythos besagtdass das Universum, das Leben und der Mensch buchstäblich so entstanden sind, wie es in den Heiligen Schriften der abrahamitischen Religionen und insbesondere in der alttestamentlichen Genesis geschildert wird.
In seiner strengsten Form postuliert Kreationismus ein Erdalter von einigen Tausend Jahren, (wogegen inzwischen alle wissenschaftlichen Befund und Messungen sprechen).
Aber Glaube muss nicht beweisen, er postuliert (= fordert, erklärt für notwendig und unabdingbar).
Dem kann man folgen – oder auch nicht.

Oder Kindern werden von früh auf (dann wenn sich ihr Gehirn und ihr Denken ausbilden) Geschichten erzählt von einem allmächtiger und allwissender Gott in irgendeinem Himmel
und von Jesus Christus, der als Gottes Sohn von der Jungfrau Maria geboren wurde,
der nach seiner Kreuzigung von den Toten auferstanden
und nun (in alle Ewigkeit) imstande ist, unsere Gebete zu erhören.
Darüber hinaus glauben Katholiken, dass ihre Priester ihnen in der Beichte Sünden vergeben können,
dass der Papst im buchstäblichen Sinne das Wort Gottes verkündet
und dass sich Brot und Wein während der Messe in das Fleisch und Blut Christi verwandeln.

Jedem, der nicht von diesen christlichen Überzeugungen infiziert ist, müssten solche Vorstellungen bizarr erscheinen. Vielleicht würde er sich fragen

  • Wie kann ein unsichtbarer Gott allmächtig wie auch allwissend sein?
  • Warum sollten wir eine 2000 Jahre alte Geschichte glauben, der zufolge eine Jungfrau ein Kind geboren hat?
  • Was kann es nur bedeuten, wenn man sagt, dass sich Wein in das Blut Christi verwandelt?
  • Wie kann jemand für unsere Sünden gestorben sein, wenn wir damals noch nicht einmal geboren waren?
  • Wie kann er von den Toten auferstehen, und wo ist er jetzt?
  • Wie kann ein Gebet, das man im stillen Kämmerlein spricht, etwas zu bewirken?

Im Verlauf der Zeit zeigten sich natürlich viele frühere Vorstellungen (wie auch Lebenwesen) auf dem Weg zu einer tragfähigen Theorie (einem langlebigen Modell) als nachweislich falsch.
So findet man z.B. weltweit immer wieder die Vorstellung, dass mächtige Wesen entrückt, dem Himmel nahe, auf Bergen (z.B. dem Olymp) wohnen oder dass es eine unsichtbare Kraft (Prana, Chi, Atman, Manitu, Od, Äther, elan vital, Libido, Orgon) gibt, die Unbelebtes in Lebendiges verwandelt.
Anders hatte man sich das nicht vorstellen können.
Neuere Erklärungsmuster konnten solche Vorstellungen nachweislich widerlegen und entmystifizieren.

Dennoch gibt es eine ganze Reihe von Befunden, die die Wirkungen von Gebeten und die positiven Effekte von Glauben bzw. Gemeinschaft belegen, doch es gibt kaum Experimente, über die solche Aussagen verifizierbar (durch Überprüfen die Richtigkeit einer Sache bestätigen) wären.
So dürfte eine hochwahrscheinliche Erklärung dafür in Erwartungshaltung, Placeboeffekten, in sozialen Phänomenen und im Glauben daran zu finden sein.
Wie schon gesagt, muss Glaube nichts beweisen, es reicht den Gläubigen die Vermutung einer Richtigkeit der Hypothese. Der Inhalt des jeweiligen Glaubens (interessanterweise von jeder der vielen verschiedenen Glaubensrichtungen) wird für wahrscheinlich gehalten; oft sogar mit besonderen spirituellen Erfahrungen, die ein absolutes Wissen suggerieren, begründet.

Auch mir persönlich sind solche Erlebnisse, so genannte Gipfelerfahrungen (z.B. nach dem Besteigen eines Berges mit dem sich dann öffnenden freien Blick und einem Gefühl der Verbundenheit mit allem) oder als Satori aus bewegten oder stillen Meditationen oder kontemplativen Versenkungen bekannt.
Bei mir haben diese Erfahrungen jedoch einen anderen Interpretationsweg als den religiösen genommen. Das dürfte individuell unterschiedlich und von lebensgeschichtlichen Wegen abhängig sein.


Aus wissenschaftliche Sicht sehen wir, statt eines schöpfenden und planenden Geistes, über Millionen von Jahren vor allem physikalische und chemische Prozesse, die sich evolutionär entwickelten und sich selbst ein Umfeld für diese Entwicklungen wurden.

Der Historiker Yuval Noah Harari beschreibt in >Eine kurze Geschichte der Menschheit< 2015 die Folgen des Urknall wie folgt:
„Vor rund 13,5 Milliarden Jahren entstanden Materie, Energie, Raum und Zeit in einem Ereignis, den wir als Urknall bezeichnen. Die Geschichte dieser grundlegenden Eigenschaften unseres Universums nennen wir Physik.
Etwa 300.000 Jahre später verbanden sich Materie und Energie zu komplexeren Strukturen namens Atome, die sich wiederum zu Molekülen zusammenschlossen. Die Geschichte der Atome, Moleküle und ihrer Reaktionen nennen wir Chemie.
Vor 3,8 Milliarden Jahren, auf dem Planeten, den wir Erde nennen, begannen bestimmte Moleküle, sich zu großen und komplexen Strukturen zu verbinden, die wir als Organismen bezeichnen. Deren Geschichte nennen wir Biologie.
Und vor rund 70.000 Jahren begannen Organismen der Art Homo Sapiens mit dem Aufbau von komplexeren Strukturen namens Kulturen. Deren Entwicklung nennen wir Geschichte.
Tiere der Menschenaffenfamilie gab es schon vor 6 Millionen Jahren.
Die ersten menschenähnlichen Lebewesen betraten vor etwa 2,5 Millionen Jahren die Bühne Namens Erde. Damals gab es eine ganze Reihe von Menschenarten.
Aber über zahllose Generationen hinweg stachen sie nicht aus der Vielzahl der Tiere heraus.
Vor rund 2 Millionen Jahren verließen die Urmenschen ihre ursprüngliche Heimat Ostafrika und machten sich auf den langen Marsch nach Nordafrika, Europa und Asien.
Durch Anpassung an die verschiedenen Klimazonen entwickelten sich z.B. die, die wir heute Neandertaler, Solo-Menschen, Homo florensiensis, Homo erectus, Homo denisova, Homo rudolfensis oder Homo ergaster nennen, von denen die letzten bis vor ca. 10.000 Jahren gleichzeitig mit dem Homo sapiens auf unserem Planeten lebten.
Die Geschichte der menschlichen Kulturen wurde von drei großen Umwälzungen geprägt:
Die kognitive Revolution vor etwa 70.000 Jahren brachte die Geschichte überhaupt erst in Gang.
Die landwirtschaftliche Revolution vor rund 12.000 Jahren beschleunigte sie und
die wirtschaftliche Revolution, die vor ca. 500 Jahren ihren Anfang nahm, könnte das Ende der Geschichte und könnte der Beginn von etwas völlig Neuem sein.“

Ca. 500 Millionen Jahre lang waren es bestimmte Moleküle, die sich als effektive Speichermedien für die Reproduktion (Vervielfältigung, Replikation) von Proteinen und anderen Bausteinen des Lebens erfolgreich erwiesen. Mit diesen Erbinformationen wurde die Informationen, wie man seinesgleichen herstellt, durch Vererbung vertikal von Generation zu Generation weitergegeben. Durch Mutationen (Abschreibfehler) entstandene Variationen und via Selektion in verschiedenen Umwelten, die unterschiedliche Merkmale und Fähigkeiten herausbildeten und durchsetzten, während andere verschwanden.

Waren der evolutionäre Prozess von Lebewesen anfangs von Genen und zufälligen Mutationen abhängig, betrat damit, dass bestimmte Primaten begannen Verhalten zu imitieren und Sprache zu entwickeln, ein neuer bedeutender Faktor die Bühne.
Mit der Sprache aber war ein weiterer Replikator (Wiederholer, Vervielfältiger) entstanden, der einen entscheidenden Umschlag in den Möglichkeiten markiert, wie nun Wissen auch horizontal, innerhalb einer Generation, und von einem an viele, weitergegeben werden konnte.
Mit Sprache ließen sich nun nicht nur Produkte kopieren, sondern auch Produktions- und Bedienungs-anleitungen herstellen; es ließ sich aber auch völlig Neues kreieren, das über die Natur hinausging.

Zugleich aber begannen nun auch Bewusstseinsinhalte (Narrationen) um ihr „Weiterleben“ zu konkurrieren.
Eine neue Art der Selektion, wie auch der Koevolution, von Genen und Gedanken bzw. Wissen begann.
Mit den neuen Möglichkeiten entwickelte sich das menschliche Gehirn, während immer mehr Geschichten, Klatsch und Tratsch – was andere getan haben, vielleicht tun könnten, denken, erwarten usw. – Anleitungen, entstanden, mit denen sich das Wissen der Menschheit aufeinander aufbauend entwickelte.

Mit der Schrift erhöhte sich die Kopiertreue und die Haltbarkeit von Informationen.
Spätestens seit es gedruckte Bücher gab, erhöhte sich auch deren Verbreitungsgrad von Informationen, der sich mit dem Aufkommen des Internets vor kurzem noch einmal vervielfältigte und beschleunigte.


Replikatoren, seien es Gene, Computerprogramme, Viren, Geschichten oder andere Informationen, sind lediglich chemische, sprachliche oder sonstwie codierte Algorithmen, die Information enthalten, etwas herzustellen, zu kopieren, zu kopieren, zu kopieren ….
Sie sind lediglich eine Information, etwas in bestimmter Art und Weise zu tun / ablaufen zu lassen.

Nicht dass Algorithmen willkürlich auftreten; sie folgen den Regeln eines deterministischen Chaos.

Ein einfaches Beispiel dafür ist das Fallen eines Blattes. Es fällt je nach dem Ausgangszustand in sehr unterschiedlicher Weise nach unten – es verhält sich chaotisch. Trotzdem wirken auch in diesem Falle physikalische Gesetze. Man bezeichnet das Verhalten solcher Systeme als deterministisches Chaos.

Dabei kann man nicht voraussagen, was passiert, es lassen sich aber Wahrscheinlichkeitsbereiche aufzeigen, was mutmaßlich, höchstwarscheinlich, möglicherweise passieren wird.

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Immer dann wenn 3 Voraussetzungen gegeben sind, kommt es unweigerlich zu einer Evolution (lat. evolvere = abwickeln, entwickeln).
1.) Reproduktion oder Replikation, indem von einem System Kopien hergestellt werden, die sich 2.) voneinander und von ihrem Ursprungssystem durch Kopierungenauigkeiten unterscheiden. Die Folge ist Variation. 3.)  zeigen sich in der Auseinandersetzung mit der Umwelt unterschiedliche Wahrscheinlichkeit einer jeden Variante, als Element in jene Stichprobe zu gelangen, aus der die nachfolgende Population zusammengesetzt wird: Selektion.

Da diese Prozesse als deterministisches Chaos zu beschreiben sind, herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass die biologische Evolution nicht zwangsläufig zur Entwicklung von bewusster Intelligenz führt. Auf der Erde wurden die Bedingungen der Evolution von Intelligenz erst nach mindestens 530 Millionen Jahren erfüllt, obwohl die fortschreitende Evolution von Vielzellern schon zuvor eine Reihe notwendiger Voraussetzungen bereitstellte.

Dazu ist kein leitender Geist (Gott, Ich, Seele) notwendig und lässt sich auch (auch im eigenen Körper) nicht finden.
Selbst unsere Vorstellung von einem handelnden Selbst ist, wissenschaftlich betrachtet, nur eine Geschichte, die uns hilft im Alltag besser zu bestehen.

Diese Vorstellungen sind schwer auszuhalten, zudem erzeugen sie unangenehme Gefühle, die man nicht haben möchte, eben sowenig wie die volle Verantwortung – ohne Schutz – für das eigene Leben. Daher greifen oft Abwehrmechanismen, die uns von dieser inneren Spannung erlösen.

Beim menschlichen Denken und Verhalten unterliegen die Verläufe den Aufmerksamkeitsfokussierungen, den gelernten und bereits vorhandenen Informationsfeldern, den emotionalen Stimulationen, wie auch gesellschaftlichen Drücken und Popularitäten, die Selektionsdrücke organisieren.

Aktuelles Beispiel in Zeiten der Corona-Krise 2020 wurde das Tragen eines Mundschutzes zu einer Pflicht ausgerufen, während noch kurz zuvor ein Vermummungsverbot galt und eine leidenschaftliche, ablehnende Burkadiskussion geführt wurde und Masken eher dem Karneval zugeordnet wurden. Regeln können sich, wenn hinreichend neue Geschichten in einer bestimmten Richtung erzählt werden, sehr schnell ändern.
Dazu in einem anderen Artikel mehr.)

Die Algorithmen an sich sind subtratneutral. (d.h. sie funktionieren mit einer breiten Palette von Medien und unterschiedlichen Materialien.)
Substratneutral heißt, dass das Material, in dem solche Prozesse stattfinden, spielt also keine Rolle – nur die Logik des Prozesses ist wichtig: seine Logik lässt sich gleichermaßen auf jedes beliebige System anwenden, in dem es Variation, Selektion und Vererbung (Weitergabe von Information an andere) gibt.
Sie verkörpern also ein allgemeines Prinzip der Evolution.

Dennoch sind solche algorithmische Handlungsanweisungen sind völlig vernunftlos.
Im evolutionären Prozess entwickelte sich ja erst ein Gehirn, das steuernde Gedanken denkt.
Und obwohl Algorithmen so ohne Vernunft funktionieren, ergeben sich aus solchen Kopieranleitungen im Laufe langer Zeiträume, in denen diese Prozesses abgelaufen sind, zwangsläufig einmalige, komplexe und unvorhersehbare Entwicklungen, wenn nur die Startbedingungen stimmen.
Dazu brauche es keine intentional steuernde Instanz.
Alles was es braucht, sind die richtigen Startbedingungen, dann ist Evolution die zwangsläufige Folge.


Dennoch ist es menschlich nachvollziehbar, dass, wie selbstverständlich, in Kathegorien der eigenen Vorstellungswelt gedacht wird, um vorgefundene Dinge und und Situationen sowie die eigenen Reaktionen darauf, zu interpretieren.

Aber das bedeutete nicht, dass die weitergegebenen Erkenntnisse wahr sein mussten.
Sie mussten entweder alltagstauglich funktionieren, begeistern oder von genügend Leuten weitergetragen werden.

Früher „erbten“ die Kinder den Glauben, den Hof oder das handwerkliche Können der Eltern, so wie sie deren Gene geerbt hatten. Und auch die in Erzählungen wurden die Geschichten von Generation zu Generation weitergegeben und später in schriftlicher Form langlebig gemacht.
Heute sind viele Informationen vielen zugänglich und im Wettstreit der angebotenen Interpretationsmöglichkeiten funktionieren die alten Weitergabemechanismen nicht mehr so gut, wie sich an den Zahlen der Kirchenaustritte zeigen lässt.
Das heißt aber nicht, dass die Menschen nun besser integrierte Zustände erreicht haben und Ambivalenzen und Widersprüche besser aushalten und bewusster damit umgehen. Das zeigt sich unter anderem an vielen spirituellen, aber auch politisch-ideologisch radikalen Strömungen, die aktuell wieder Bedeutung gewinnen.

Ein hoher Verbreitungsgrad oder eine lange Traditioneine gesellschaftlich gleichklingende Strebung, (wie wir sie in unserem Lande z.B. mit katholischen und evangelischen Gebieten hattendie bestimmte Verhaltensnormen vorgaben) führen psychologsich zu dem Eindruck von Konsistenz (latein. consistentia = Folgerichtigkeit, Geschlossenheit, logische Widerspruchsfreiheit).
Diese subjektive Gefühl macht solche subjektiven Narrative allerdings in der Realität nicht objektiv wahrer.
Höchstens lassen sich aus den Geschichten die Vorstellungen ihrer Zeit nachvollziehen.


Literatur

Susan Blackmore, Die Macht der Meme, 2000
Wikipedia

Kommentar:

Thomas Ransbach predigte in einem Wortgottesdienst in der St. Thomas Morus-Kirche zum Thema:
“Wie hältst Du es mit der Wahrheit” und beschäftigte sich mit Fake-News und dem Johannesevangelium. Darüber zitiere ich aus dem Gießener Anzeiger: “Wahrheit ist seit dem Einsetzen der Aufklärung in Europa vor rund 240 Jahren nicht länger vom Glauben und seinen dogmatischen Postulaten bestimmt, sondern vom menschlichen Forschergeist, vom Fragen, Prüfen, Messen, Rechnen, Vergleichen und systematischen Validieren, von der verantwortungs-vollen Debatte in der Demokratie, vom Argument, vom Zuhören, von Logik. Niemand halte da alleine die Wahrheit in der Hand, aber die öffentliche Debatte von und mit den Forschern und Naturwissenschaftlern unserer Zeit bringe uns nah an die Wahrheit der Welt und “weg von Sektierern, populistischen Schreihälsen und irren Verschwörungstheoretikern, die in allen Ländern ähnliche ihre Wahnideen verbreiten und Tatsachen leugnen. Sie sind nicht vom Geist oder Liebe gelenkt, sondern ausschließlich von archaischen, unreflektiertem Hass.” Sie haben nicht das Leben auf der Erde im Blick, …. das es zu bewahren gilt, sondern einzig den stets schnell ausfindig gemachten äußeren und und schuldigen Feind und seine Komplizen. Sich selbst sehen sie stets als unschuldige Opfer und fühlen sich paranoid von fremden Mächten oder Kräften überwacht. Ihre Lügen, allzu einfachen Antworten und Verzerrungen der Wirklichkeit gefährden öffentliche engagierte Menschen wie Wissenschaftler und Politiker und deren Familien. ….
Die Wahrheit suchen, sei der Kern der Wissenschaft – auch der medizinisch-virologischen Disziplin – und aller verantwortungsbewusst denkenden, handelnden und forschenden Menschen.
Ransbach meinte, es sei sehr viel besser, in einem permanenten, öffentlichen Erkenntnisprozess mit all seinen Lücken, Schwächen und Fehlern nach den physischen Eigenschaften und dem biochemischen Lebenszyklus zu suchen, als darüber irgendetwas zu behaupten und das gewinnträchtig zu verbreiten.”

Quelle: Gießener Anzeiger, 12. Juni 2020, Artikel von Klaus-Dieter Jung: 2000 Jahre alt und dennoch aktuell