Seltsame Pflanzenveränderungen -Zombie-Pflanzen

Foto 1: Eine Studentenblume (Tagetes patula) hat sich zu einem Hexenbesen entwickelt.

Die von mir geleitete VEN*) -Gruppe Mittelhessen hat seit dem Frühjahr 2023 ein Schaubeet in den Hardtgärten (Ludwig-Schneider-Weg in Heuchelheim) angelegt. Ab Ende März wurden dort verschiedene Erbsensorten gesät, später 9 Sorten Bete (Rote, gelbe, weiße Bete in verschiedenen Formen = Gemüse des Jahres) gepflanzt, zum Schluss etliche Blattkohlarten. Der Wegrand wurde mit Studentenblumen (Tagetes) bepflanzt und eine größere Ecke mit anderen Sommerblumen.
Im Juli fiel mir eine völlig untypische Tagetes auf (Foto 1). Sie sah aus wie ein Hexenbesen*0) und zeigte, während überall Knospen und die ersten Blüten gebildet wurden, nicht die leisesten Anzeichen dafür. Sie war also eindeutig steril – bis heute. Erst als ich im September auch an einer Cosmea ungewöhnliche Veränderungen beobachtete, ging ich dieser Sache weiter nach.

Mit Hilfe der Biebertaler Botanikerin Prof. Annette Becker konnte ich zumindest die Veränderungen an der Tagetes erklären.
Die Ursache sind Phytoplasma*1) -Bakterien, die etwa 1/10 der Größe normaler Bakterien haben. (Bakterien zwischen 1/10.000 bis 1/100 mm). Den Phytoplasma-Bakterien fehlen einige wichtige Zellorgane, so dass sie in ihrer Vermehrung (ähnlich wie bei Viren) auf lebende Zellen angewiesen sind. Die bisher beobachteten Arten sind alle Parasiten, d.h. sie befallen Pflanzen und programmieren sie um. Damit werden sie interessant für Zikaden *2), die den mit schädigenden Bakterien befallenen süßen Saft aus der Pflanze saugen und ihn beim Biss in die nächste Pflanze weiterverbreiten.

Derzeit sind etwa 500 Pflanzenarten bekannt, die befallen werden. Darunter befinden sich auch etliche Nutzpflanzenarten wie z.B. Raps, Weinreben, Obstbäume bis hin zu Kokospalmen.

Foto 2: Kammbildung an Blütenknospen vom Schmuckkörbchen (Cosmos bipinnatus)

Was aber war mit der Cosmea passiert? Vor der Knospenbildung hatte ich eine leichte Verbänderung*3)  beobachtet.  Auslöser für eine Verbänderung können genetische Schädigungen durch Viren und pathogene Bakterien, Pilze und Milbenbefall sein.  Aber auch Chemikalien und ionisierende Strahlung können Auslöser sein, ebenso spontane Mutationen.. Es wird vermutet, dass die genetischen Schäden die Ausführung eines evolutionär (entwicklungsgeschichtlichen) ursprünglicheren *4) und damit alternativen Programms von Verzweigungsprozessen quasi erzwingen: der dichotomen Verzweigung, *5) wie sie bei Sporenpflanzen wie Moosen und Farnen üblich sind.   Quelle: Pflanzenforschung.de – Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Auch die in der Weihnachtszeit aktuelle Mistel hat eine derartige Verzweigung.

Wenn man das Foto (2.) einiger Knospen betrachtet, ist eine Kammbildung, die mit der Verbänderung einher geht, deutlich erkennbar. An einem anderen Zweig hatte die Pflanze es aber geschafft, Blütenstiele zu bilden (Foto 3), allerdings gingen sie fast von einem Punkt aus und waren ungewöhnlich zahlreich.

Foto 3: Cosmea mit extrem vielen Blütenstängeln von einem Punkt ausgehend

Da Cosmea und Tagetes nur 3m Abstand voneinander haben, liegt der Verdacht nahe, dass es sich auch bei der Cosmea um einen Befall mit Phytoplasma-Bakterien handelt.
Wir werden also im nächsten Jahr ganz besonders auf Zikaden achten.

Die Wissenschaft bezeichnet solche Pflanzen auch als “Zombie-Pflanzen” – und das hat überhaupt nichts mit entsprechenden Computerspielen zu tun.

Foto 4: Es werden dennoch farbige Blütenblätter gebildet

Foto 5: Ein anderer Teil derselben Pflanze scheint normal zu wachsen

Alle Fotos Eveline Renell

*) VEN = Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt https://www.nutzpflanzenvielfalt.de/

*0) Wer genau hinguckt, kann Hexenbesen manchmal an Bäumen beobachten. Dabei sind die Abstände zwischen den Stängelknoten (also die Internodien) extrem verkürzt. Wenn man sie abnimmt und bewurzeln lässt, erhält man ein Zwerggehölz.

*1) Phytoplasma ist  der mit Nährstoffen und Zellorganen gefüllte flüssige Inhalt einer Pflanzenzelle.

*2) Die Zikaden (von lateinisch cicada) auch Zirpen, sind an Pflanzen saugende Insekten.  Weltweit sind weit mehr als 45.000 Arten beschrieben, davon auch 638 Arten aus Deutschland.
Sie können zwischen 1,8 und 38mm lang werden (in Ausnahmen 50-70mm). Zikaden sind die besten Hochspringer im Tierreich. https://de.wikipedia.org/wiki/Zikaden

*3) Foto

*4) Bei dieser Aussage fühle ich mich an den Inhalt des Buches „Der Urzeit-Code“ von Luc Bürgin erinnert. Darin wird von Maispflanzen berichtet, die ähnlich viele Kolben ansetzten wie die Cosmea in Bild 3 Blüten.

*5) Verzweigung ähnlich wie eine Stimmgabel. An den Gabelspitzen bilden sich neue Verzweigungen (gut zu beobachten jetzt an Misteln)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert